Ho Chi Minh City: Zwischen Moped und Nudelsuppe

Die Menschen in Vietnam strotzen vor Optimismus und Charme. Am besten lässt sich das Lebensgefühl in Ho Chi Minh City, dem ehemaligen Saigon erleben. Auf den Straßen herrscht bizarres Verkehrschaos, auf den Märkten blüht der Handel und jeder lebt den Geist des Fortschritts auf seine Art.

„Hello“ rufen die Leute freundlich. Aus jedem Haus ein Lächeln, ein Gruß, ein Winken. Sie sitzen auf kleinen Zwergstühlen, schaukeln in der Hängematte, lassen sich rasieren, reparieren Mopeds, kochen Pho, Nudelsuppe, oder treiben Handel. „Der Handel macht die Menschen glücklich, jedes Haus ist ein Shop“, sagt David Bellman. Das Gefühl des Aufschwungs mache die Leute fanatisch, eine „Explosion an Möglichkeiten“.

Normales Verkehrschaos

Normales Verkehrschaos

Als der gebürtige Kanadier 1995 als Englischlehrer nach Saigon kam, war davon kaum etwas zu spüren. „Wie ein Exot“ habe er sich gefühlt, erzählt der 38-jährige, aber schon damals seien die Neugierde und Gastfreundschaft der Menschen groß gewesen. Davon profitieren auch heute die über fünf Millionen internationale Touristen, die die ehemalige französische Kolonie mittlerweile pro Jahr bereisen. „Doi Moi hat es möglich gemacht“, liefert David den entscheidenden Grund. Es meint die Erneuerung des Wirtschaftssystems seit 1986. Aus der Kommandowirtschaft wurde ein Wirtschaftssystem mit stark marktwirtschaftlicher Prägung. Aus einem Land mit Hungersnot entwickelte sich einer der größten Exportnationen für Nahrungsmittel weltweit. Die Nummer zwei bei Kaffee und Reis und aufstrebend bei Pfeffer, Tee, Cashew-Nüssen, Meeresfrüchten, Fisch und Kautschuk. Und bei dieser Erfolgsgeschichte soll es auch bleiben – wenn es nach den Menschen geht. „Hier spricht oder klagt keiner über Politik“, sagt David, „Hauptsache es gibt keine Hindernisse.“

Der Mann aus Montreal mischt kräftig mit beim Wachstum. David unterrichtet kein Englisch mehr, er spricht jetzt fließend vietnamesisch und berät die Menschen in der Landwirtschaft – hier arbeiten immerhin noch 60 Prozent der Bevölkerung. Vor ein paar Jahren gründete er mit Linh, seiner vietnamesischen Frau, eine Food Company und beschäftigt mittlerweile 84 Mitarbeiter. „Alle sind hochmotiviert, sehr lernwillig und ehrgeizig“, skizziert der Unternehmer mit einem Strahlen. Vor allem Fischereiprodukte seien inzwischen zu einer der wichtigsten Säulen von Vietnams Exportwirtschaft geworden. „Anders als beim Reisanbau lässt sich hier das zehnfache verdienen“, weiß David. Er mag die Menschen seiner Wahlheimat und ist froh, dass jeder vom Aufschwung profitiert – „selbst die ärmsten“. Er schätzt ihre Bereitschaft zum Risiko und weiß, dass sie „jede Schwierigkeit bewältigen“.

Das beweist auch der Blick auf Saigons Lebensadern eindrucksvoll: Da rauschen die mehr als 2,5 Millionen motorisierten Zweiräder pausenlos durch die Straßen der 7-Millionen-Metropole und zeigen dabei reichlich Geschick. Grundregel Nummer eins: „niemals stoppen“ – das unterbricht den Fluss und macht unberechenbar. Regel Nummer zwei: hupen was das Zeug hält. Manche haben beim Fahren besonderes Talent. Nicht selten werden Türen, Fenster, Schränke, sperriges Baumaterial auf den kleinen Flitzern transportiert – und selbst bei diesen waghalsigen Aktionen darf eine gewisse Eleganz nicht fehlen. Unsichtbar dafür aber deutlich zu riechen ist der Gestank, den die Schar der Motorisierten tagtäglich produziert.

Die meisten wappnen sich mit Mundschutz gegen die Abgase. Bei den Frauen hat es noch einen anderen Grund: „Eine Art Phobie, ihre Haut soll weiß bleiben, so will es das Schönheitsideal“, klärt David auf. Der Verkehr ist eine tickende Zeitbombe und eine Lösung nicht in Sicht. „Wir leben ganz einfach damit“, sagt David leicht gequält und fügt hinzu: „Das Moped ist Ausdruck des neuen Lebensgefühls.“ Was für den Touristen ein faszinierendes Schauspiel ist, dürfte spätestens in ein paar Jahren zu einem ernsthaften Kollaps führen. Erste Maßnahmen versprechen wenig Änderung: Die Stadtverwaltung erstattet die Hälfte des Buspreises, aber lieber fährt man zu viert oder fünft auf der kleinen Honda und ist mit dabei im Spektakel des unendlichen Fahrrausches. Auch die Pläne für eine U-Bahnlinie liegen mangels finanzieller Mittel weiter in der Schublade.

Rasantes Bevölkerungswachstum

Im Ben-Thanh-Markt herrscht reges Treiben: Frauen schneiden Fleisch, säubern Fische, sortieren Ware, Männer schleppen Kisten und auch hier finden die flinken Mopeds mit einem krächzenden Hupton ihren Weg durch die Menge. In den schmalen Gängen türmen sich Porzellan, Textilien, Gemüse und Gewürze. Mütter tragen Kinder im Arm, sie sitzen auf dem Boden vor der improvisierten Garküche. Kinder sind überall: Wer in einem Bus sitzt wundert sich, dass kaum ein Fahrgast über 30 ist. „Jedes Jahr kommen eine Millionen Vietnamesen hinzu“, so Davids lakonischer Kommentar zum rasanten Bevölkerungsentwicklung.

Auch sie werden eines Tages Handel treiben und die unzähligen Einkaufsstraßen mit Läden allen Bedarfs bevölkern. „Jede Straße bietet ein bestimmtes Produkt“, sagt Dung in perfektem Deutsch. Er sitzt am Nebentisch und schlürft seine Nudelsuppe mit Rindfleisch. Dung gehört zu den mehr als 70000 Vietnamesen, die in der DDR studiert und Deutsch gelernt haben. In manchen Straßen gebe es nur Näh- oder Bohrmaschinen, in anderen nur Staubsauger, in den nächsten Kräuter- und Tees, erzählt er. Und wie überlebt man bei solcher Konkurrenz? „Das Prinzip heißt kaufen und verkaufen – immer und überall.“

Mehr Information
TUI Rundreise „Südvietnam Kaleidoskop“, 8 Tage mit Anschlussaufenthalt, ab/bis Frankfurt mit Vietnam Airlines, Stationen: Saigon, Can Tho, Dalat
http://www.studienreisen.de/studienreise_124426.html

Hotline: 06373-811728

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