Sierra de Gredos: Unberührtes Kastilien

Abgelegene Dörfer, faszinierende Schluchten und schneebedeckte Gipfel prägen das kastilische Scheidegebirge. Wer die südlichste Alpinlandschaft Europas erkundet begegnet eher Steinböcken als Menschen.

Wie die Kulisse eines Road Movie wirkt die einsame Weite Kastiliens, schnurgerade verläuft die Straße. Mit jedem Kilometer wird das Land schroffer und karger, rötlich schimmert die Erde in der frühen Abendsonne, vereinzelt Gehöfte, ein paar Stallungen, die ersten Ausläufer der 100 Kilometer langen Gebirgskette erheben sich gen Westen. Irgendwann windet sich die Carretera Nacional kurvenreich in Richtung Sierra de Gredos hinauf.

Natur pur und einmalig Stille - das ist die Sierra de Gredos

Natur pur und einmalig Stille – das ist die Sierra de Gredos

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Bergführer Bernd Rost blüht auf

„Früher bin ich mit meiner Frau und den Kindern jedes Wochenende in die Berge gefahren“, sagt Manolo der Taxifahrer. Er kennt sich aus, für ihn ist die Sierra wie ein alter Freund, der einfach da ist. „Die Venta de Rasquilla hat die beste Küche der Region“, verweist Manolo ortskundig und zeigt auf ein Haus am Wegesrand. Bis auf 1600 Meter Höhe steigt die Straße hinauf zum Parador Nacional de Gredos. Rund 60 Kilometer westlich von Avila liegt das älteste Staatshotel Spaniens, eröffnet im Jahr 1928. Meist sind es ehemalige Schlösser, Burgen oder Paläste, gelegen in einer besonders reizvollen Landschaft – inzwischen gibt es mehr als 90 Paradores landesweit. Der mächtige Granitsteinbau im kastilischen Stil ist von Kiefern und Pinien umgeben und gewährt von seiner großzügigen Terrasse einen weiten Blick auf die umliegende Sierra.

Nach einer Nacht in ungewöhnlicher Stille ohne jede zivilisatorische Begleitmusik ist der Wanderer nach einem opulenten Frühstück gerüstet für die erste Bergetappe. Ziel ist der Aussichtsgipfel Torozo auf 2021 Meter Höhe. Die ersten warmen Sonnenstrahlen kitzeln die noch trägen Muskeln, die Luft ist kühl und erfrischend, am Straßenrand ist das gelbe Farbenmeer des blühenden Ginsters ein steter Begleiter.
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Vom Puerto de Serranillos aus beginnen die 450 Höhenmeter des Aufstiegs. Steil fällt das massive Granitgestein der Sierra gen Süden ab. „Ein beliebter Spielplatz für Kletterfans aus Madrid“, erklärt Bernd Rost der Bergführer. Doch jetzt im Frühling verliert sich kaum jemand hierher. Nach gut zwei Stunden Fußmarsch belohnt die einzigartige Aussicht auf die umliegenden Gipfel des Scheidegebirges, besonders auf den schneebedeckten Gipfel des Almanzor auf 2592 Metern gelegen. Zurück führt der Weg hinab zum Puerto del Pico und weiter auf der gut erhaltenen Römerstraße nach Cuevas del Valle. In einer kleinen Bar hinter der Kirche erfrischt ein kühles Bier und lässt den Bergfreund von den Eindrücken des Tages schwärmen.

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Rast in einer Hütte mit traumhafter Aussicht

Am Abend knurrt der Magen bereits um sieben, doch vor neun regt sich auch in Kastiliens Küchen wenig – diesmal macht der Chef eine Ausnahme. Erste Leckereien gibt es für die deutschen Gäste bereits um acht. Die Venta ist schlicht und karg wie die Landschaft. Nach dem Verzehr von jamón iberico und einer reichhaltigen Palette von Käsesorten aus Ziegen-, Schafs- und Kuhmilch steigt die Vorfreude auf den kommenden Gaumenschmaus. „Beim traditionellen Schweineschlachten wird das iberische Schwein mit Eicheln und Kastanien gefüttert“, erklärt der Spanienliebhaber Rost. Es bilde die Grundlage für die typisch regionalen Produkte – etwa Blutwurst aus Burgos, Paprikawurst aus Segovia und nicht zu vergessen die Wildbret-Spezialitäten, schwärmt Rost. Er fühlt sich mittlerweile heimisch in dieser Region, spricht fließend castellano und mag die Art der Menschen. „Am Anfang etwas schroff, aber dann hast Du Freunde fürs Leben“, skizziert Rost.


Das nächstes Ziel ist der Morezón auf 2389 Metern gelegen. Ihm eilt der Titel des schönsten Aussichtsgipfels der Sierra voraus. Der Weg führt zunächst über sanfte grünbedeckte Hügellandschaft mit glasklaren Bächen und kleinen seeähnlichen Tümpeln, Kühe grasen gemächlich und ein sanfter Windhauch umspielt die Nasen der Bergwanderer. Mit jedem Schritt taucht man tiefer ein in die Natur, hört nur noch das Kreischen von Steinadlern und Gänsegeiern, fühlt sich weit entrückt vom Alltag. Über den Puerto de Candelada auf 2009 Metern gelangt man zum verfallenen Refugio El Rey, einer alten Berghütte des Königs Alfonso XIII. Die Brotzeit mit einmaliger Aussicht über die südliche Hochebene beschert überraschende Besucher. Erst zaghaft dann immer mutiger pirschen sich Steinböcke heran und verspeisen Teile der belegten Sandwichs – am Ende fressen sie aus der Hand.

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Eine letzte Stärkung vor dem Aufstieg auf den Galayos-Turm

Hinauf zum Gipfel verläuft der Weg steil und ist mit reichlich Felsgeröll übersät. Umso faszinierender wirkt der einmalige Rundblick vom Morezón auf den Circo de Gredos mit dem thronenden König Almanzor und der unten liegenden grünen Laguna Grande. Umgeben von Granitgestein und den Horizont fest im Blick verlässt man schweren Herzens die erhabene Gipfelromantik.

Am letzten Tag lockt der Aufstieg zu La Mira auf 2341 Metern Höhe. Über verschiedene Vegetationsstufen führt der Weg bei gleichmäßiger Steigung durch die Zyklopenschlucht Los Galayos. Sprudelnde Sturzbäche begleiten den Wanderer. Anders als bei den Etappen zuvor ist von Beginn an der Gipfel im Visier. Im oberen Teil der Schlucht schlängelt sich der Pfad immer steiler empor. Endlich rückt das Felshaus mit seinen grünen Fenstern näher – die letzte Rast direkt unter dem höchsten Galayos-Turm. Eine Brotzeit und der stolze Blick auf die zurückgelegte Wegstrecke präpariert für die kommenden Felsstufen – sie führen zur höchsten Scharte hinauf. Oben angekommen ist die Sicht über die gesamte Kette der Sierra so ergreifend, dass Worte einem nicht mehr in den Sinn kommen.

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Beste Reisezeit April bis Juli, September und Oktober

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