Vom Fischkutter zum Ausflugsboot

Vom Fischfang allein lässt es sich zwar nicht mehr leben aber Eddy Stoll fährt noch immer leidenschaftlich gern hinaus auf die Ostsee. Er ist der letzte Fischer von Bansin.

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Eddy Stoll ist stolz darauf: vor Usedom gibt es Süß- wie Salzwasserfische gleichermaßen

Der Fischkutter liegt auf Holzrollen im Dünensand und steht zum Verkauf. Streichen, schrubben, waten, dann wechselt BAN 7 irgendwann den Besitzer. „Wohl kaum ein Fischer“, meint Eddy Stoll, der als einer der letzten auf Usedom noch regelmäßig hinausfährt aufs Meer. Für die Fischer sei das „nicht mehr finanzierbar“, bringt er die Realität auf den Punkt. „43 Cent pro Kilo Hering reichen einfach nicht aus.“ Die Kapitänsmütze auf dem Kopf, Sonnenbrille und Vollbart, Blaumann und die Stiefel über die Schenkel gezogen, befestigt er ein paar Seile an der Reling und hofft, dass sich ein Liebhaber findet für den edlen Kutter aus Eichenholz, der mit hochwertigen Kupfernieten verarbeitet ist. „Alles Handarbeit“, beteuert Eddy Stoll, „drei Mann haben ein halbes Jahr daran gearbeitet“ Heute sei vielleicht noch ein Viertel des ursprünglichen Kaufpreises herauszuholen, mutmaßt er.

In Bansin liegen die wenigen Fischerboote oben in den Dünen, einen Hafen gibt es nicht. „Es dauert fast einen halben Tag, bis man das Boot im Wasser hat“, sagt der 46-jährige Stoll. Ganze 15 mal müssten die Rollen vorgelegt werden bis man unten ist, dann noch über zwei Sandbänke hinweg bis der Kutter in See stechen kann. „Jeder Handgriff muss sitzen.“ Zu zweit oder zu dritt werde der Kutter bewegt. Allein? Nein, keine Chance. Hier mache man ohnehin alles gemeinsam. Das kennt man nicht anders. Eddy Stoll erinnert sich noch genau, wie zu DDR-Zeiten teils bis zu fünf Tonnen Heringe am Tag in den Netzen hingen. Die Heringe „von den Netzen loszupulen war eine große Nummer. Da hat jeder mitgeholfen“, sagt der Bansiner. Die ganze Familie sei von morgens um vier bis abends um zehn auf den Beinen gewesen.

Eddy Stoll ist Fischer mit Herz und Seele

Eddy Stoll ist Fischer mit Herz und Seele

Heute fischt er ein bis zwei Kisten aus dem Gewässer vor den Kaiserbädern – gerade mal so viel wie die Gaststätten im Ostseeheilbad brauchen, etwa 20 bis 50 Kilogramm. Der Fisch kommt jetzt eher aus Lettland oder aus Weißrussland. „Wo die Preise stimmen“, sagt Eddy Stoll realistisch. „Im Moment fischen wir Flunder und ein bisschen Steinbutt“, erzählt der gutgelaunte Usedomer, der an der Bansiner Strandpromenade ein eigenes Hotel mit Restaurant betreibt. Je nach Wetter fährt er entweder täglich oder alle zwei Tage hinaus. Im Hochsommer, wenn es warm ist, steht Aal auf der Fangliste. Dann geht es nachts um eins raus und um sechs zurück. „Damit der Aal frisch bleibt“, erklärt Eddy Stoll, „Eis gibt’s an Bord nicht.“

Stolz ist der Bansiner Fischer darauf, dass es vor Usedom Süß- wie Salzwasserfische gleichermaßen zu fangen gibt. Die Brackwassereinspeisung der Flüsse Swine und Peene mache hier aus der Ostsee Mischwasser. Das sei zwar nicht so klar, aber dafür sei die Ostsee bei der Oderbank „so türkis wie die Karibik“, weiß der weit gereiste Stoll. Acht Meter tief könne man auf den Grund gucken. „Aber das kennt ja keiner“, fügt er lapidar hinzu. Genauso wenig bekannt ist die „enorme Überpopulation an Kormoranen“, die den heimischen Fischbestand bedroht. Früher habe es vielleicht 20 auf der ganzen Insel gegeben, heute sind es hunderttausende. „Und jeder der Vögel frisst ein Pfund Fisch am Tag.“ Grund seien die milden Winter der letzten 20 Jahre – so konnten die Kormorane überleben. In benachbarten Ländern wie Dänemark habe man Maßnahmen gegen die Ausbreitung der Kormorane entwickelt. Doch hier hätten die Fischer keine Lobby, merkt Eddy Stoll kritisch an.

Der Kutter steht zum Verkauf

Der Kutter steht zum Verkauf

Das mit den Essgewohnheiten weiß auch kaum einer, spannt Eddy Stoll den Bogen. Jeder glaube, ereifert sich der kräftige Fischer, Italiener und Franzosen seien die Gourmetkönige. „Irrglaube“, hält der Usedomer fest. „Die benachbarten Polen sind es.“ Sie gäben rund 17 Prozent ihres Einkommens für’s Essen aus und seien die wahren Genießer. Die Deutschen hingegen „dümpeln mit gerade mal sieben Prozent dahin.“ Ernsthaft besorgt zeigt sich der Usedomer um die Esskultur seiner Landsleute, bei denen fast food in allen Variationen nach wie vor hoch im Kurs stehe. Fischstäbchen nimmt er dabei ausdrücklich in Schutz. Die würden bereits auf See schockgefrostet, weiß der Experte.
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Sorgen macht sich Eddy Stoll auch um das Aussterben seines Jobs. Das sei für die Urlauber „kein schönes Bild, wenn es keine Boote mehr gibt.“ Fischer zu sein sei eine „Berufung“ und dabei funkelt die Leidenschaft in seinen Augen. Das Gros der Fischer auf Usedom hätte die Kleinkapitänspatente ohnehin an Abendschulen erworben. Jeder habe auch einen handwerklichen Beruf erlernt. Die Eltern hätten dafür gesorgt – sie wussten, was es heißt, wenn die Fischbestände abnehmen. „So kommt ihr trotzdem über die Runden“, war ihre Devise. Eddy Stoll hat Hochbau gelernt.

Jetzt lernt er auch noch Schiffsverkäufer und hofft, dass er einen Liebhaber findet für seinen stolzen Kutter. Vielleicht einer, der ein Ausflugsboot mit Segel draus macht. Die Zeiten ändern sich eben.

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Platz der Freundschaft 1
18059 Rostock
Tel.: +49 (0)381 40 30-550 Fax -555
www.auf-nach-mv.de

Hotel Dünenschloß, Restaurant Blauer Stein
Eddy Stoll
Strandpromenade 32
17429 Seebad Bansin
Tel./Fax 0049 (0) 38378/30818
eddystoll@aol.com

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