Archiv der Kategorie: Specials

Bootswerft Freest: Von Schwalben, Schiffsbau und Jane Bond

Foto5

Frisches Holz für die Bootswerft

Ganz im Nordosten, wo die Ortsnamen immer unbekannter werden und das ganz große Touristengetümmel weit weg ist – dort liegt das Hafenstädtchen Freest am Greifswalder Bodden. Hier kann man sie noch erleben, jene Geschäftigkeit eines Hafens, in dem die Fischerboote und Krabbenbkutter dicht an dicht liegen. Fischer reparieren die Netze, gestikulieren, lachen und verkaufen ihre Waren. Ansonsten hat der Ort ein paar Restaurants, ein Hotel, einen Lebensmittelladen, die Dorfstraße natürlich und jede Menge Fischbuden. Vor allem aber gibt es eine Werft – eine ganz besondere.

In der großen Werfthalle flitzen die Schwalben kreischend kreuz und quer durch die Lüfte, haben unter dem Dach ihre Nester gebaut, sind Teil der Werft geworden. Damit es nicht noch mehr werden hat die Werftcrew ein Tonband aufgenommen mit Stimmen von Kauzen und anderen Vögelarten. „Das soll die Schwalben ein wenig abschrecken“, erklärt Kirsten Dubs, Besitzerin von Bootsbau Freest die eingeleitene Maßnahme. Jetzt wird das Band alle paar Minuten abgespielt, fast fühlt man sich wie im Urwald.

Foto7

Ein paar Segelyachten haben in der Werft ihren Heimathafen

Doch es ist die ehemalige Traditonswerft mit über 100-jähriger Geschichte. Die Bremerin Kirsten Dubs hat das Gelände und die dazugehörigen Geböude im Jahr 2007 komplett übernommen und der Bootswerft Freest seither neues Leben eingehaucht. Wer ein paar Tage in der Halle und auf dem Areal der Werft am eigenen Boot arbeitet, kann sich ein Bild von dem neuen Leben machen. Festangestellte wie Azubis aus der Region erlernen hier ein traditionelles Handwerk in all seinen Facetten: Sie erneuern Spanten und Planken, bauen verschiedene Rundholzer für Masten, dichten die Außenhaut alter Fischkutter, um nur einige der Tätigkeiten zu nennen. Doch das kreative Aushängeschild der Werftcrew ist ihr Projekt Y-DS 650 „Day- Weekendsailer“, ein Segelboot, das von der Auswahl und Bearbeitung des Holzes bis zur Endfertigung von der Mannschaft in Eigenarbeit neu konstruiert wird.

Die Zeit scheint stehen geblieben
Die Werft, direkt an der Dorfstraße und vis-á-vis des Hafens gelegen ist eine Welt für sich. Überall in der Halle sind die Zeugnisse langer Geschiche gegenwärtig. Alte Maschinen und Werktische, Mechanik, die sich über viele Dekaden bewährt hat. Die Crew weiß damit umzugehen und sie für moderne Restaurations- und Reparaturanspüche einzusetzen.

Charaktervolle Boote in der Werft

Charaktervolle Boote in der Werft

Etwas verloren fühle ich mich anfangs in dieser mir fremden Welt. Also starte ich mit meiner Arbeit, alles weitere wird sich ergeben, sage ich mir. Mundschutz besorgt, passendes Schleifpapier und einen Schleiklotz organisiert – schon beginne ich mit den Arbeiten am Schiffsrumpf meines über 50 Jahre alten Volksbootes, das Anfang der 1960er Jahre in der ehemaligen DDR gebaut wurde. Das Unterschiff muss komplett abgeschliffen werden, bevor ich eine neue Antifouling-Schicht darübersteiche. Der Scheiß tropft mir von der Stirn, der Mundschutz macht mir das Atmen schwer und viel Ausdauer habe ich als gelernter Schreibtischarbeiter auch nicht gerade. Doch mit jedem Meter bearbeiteter Fläche werde ich sicherer und zuversichtlicher. Crewmitglieder kommen vorbei, fragen nach, bestärken mich in meiner Arbeit. Auch zwei weibliche Azubis passieren freundlich grinsend mein Boot. Dazwischen in regelmäßigen Abständen die Aufnahmen von Kauzen & Co. .

"Jane Bond" kriegt den letzten Schliff ....

„Jane Bond“ kriegt den letzten Schliff ….

Ab und an gehe ich hinaus ans Wasser, sehe mir die Segelyachten und Schiffe an und entdecke in jedem einzelnen einen besonderen Charakter. Ob die Pomeranus das stolze Folkeboot oder Lili, der in die Jahre gekommene Kutter oder Jane Bond, die im neuen Gewand erstrahlt. Mein Blick schweift auf die Peenemündung, wo ein Ausflugsschiff Kurs Richtung Peenemünde nimmt. Frische Luft getankt, mache ich wieder an die Arbeit. Mit jeder Stunde macht es mehr Freude, wird der Stolz eigens das Boot für die Saison zu richten immer größer.


Nach intensiver Schleifarbeit ist der Rumpf endlich bereit für den Anstrich. Eine Nacht getrocknet und am nächsten Tag ins Wasser gekrant, so der Plan. Doch es kommt anders. Das Wetter spielt nicht mit – immer wieder prasseln kräftige Regenschauer über die Werft und machen das Kranen unmöglich. Als sich das Wetter endlich beruhigt und kein Schauer mehr in Sicht ist, hebt der „17.Oktober“, der alte DDR-Kran, meine SeeQ über die umstehenden Boote hinweg. Danach wird der Mast gerichtet, die Wanten eingestellt und alles notwendige eingeräumt.

Wenn Untiefen lauern
Nun muss nur noch der Motor anspringen. Tut er aber nicht. Etwas orgeln ja, doch der entscheidende Funke will nicht überspringen. Und ausgerechnet jetzt brauen sich am Horizont die nächsten Wolkenungetüme zusammen. Jeder aus der Crew versucht sein Glück, alles wird ausprobiert und tatsächlich – irgendwann stottert sich der Motor in einem rythmische Umdrehung. Erleichtert winke ich der Crew, die aufgereiht an der Kaimauer steht, zum Abschied und mache mich auf den Weg in den Heimathafen, in gut 35 Minuten müsste ich es schaffen, rechne ich mir aus. Sonst wird es dunkel.


Die Rechnung geht natürlich nicht auf. In der Aufregung des Abschieds habe ich die Worte der Crew überhört: „Pass auf die Untiefen auf, bleibe nah am Schilf“, so ihre eindringliche Mahnung. Doch ein fuliminanter Sonnenuntergang lenkt mein Interesse in eine andere Richtung – ein Handyfoto muss her. Und schon macht es rums und die SeeQ läuft auf eine Sandbank. Ich sitze fest, alle Versuche mich selbst zu befreien sind vergeblich.

Zum Glück erreiche ich die Freester Mannschaft noch, die sofort ein Boot klar macht und mich zu viert von der Sandbank zieht. Am Hafenkai verfolgt bereits eine Handvoll Schaulustiger ein Spektaktel, das man hier eher selten zu sehen bekommt.
„Bleib immer hart steuerbord“, geben mir meine „Retter“ mit auf den Weg. Ahoi, alles klar.

Mehr Information
Übernachtung und gutes Essen:
Hotel und Fischrestaurant Leuchtfeuer

Hotel und Gaststätte
An der Waterkant

Wallis: Den Kräutern auf der Spur

Dem Matterhorn ganz nah, vom Rhone-Tal geprägt und reichlich sonnenverwöhnt präsentiert sich der Schweizer Kanton Wallis. Dass er zugleich auch eine wichtige Kräuterkammer ist und Basis für ein berühmtes Schweizer Bonbon, ist weniger bekannt. Ein Besuch bei den Kräuterbauern im südlichen Schweizer Bundesland.

Von Sion aus führt die Straße durch ein lang gestrecktes Tal Richtung Verbier, steil erheben sich die mächtigen Hänge zu beiden Seiten hin. Verschwindend klein wirken die winzigen Dörfer, selbst die Kirchen erscheinen im Miniaturformat. „Das Wallis hat ein eigenes Mikroklima mit geringen Niederschlägen im Sommer“, sagt Fabien Fournier, Betriebsleiter der Genossenschaft Valplantes, einem Zusammenschluss von walliser Gewürz- und Heilkräuterbauern. „Beste Voraussetzungen für den Kräuteranbau.“

Thomas  Aeschlimann bei der Kräuterernte

Thomas Aeschlimann bei der Kräuterernte

Bis in 1.500 Meter Höhe können die verschiedenen Kulturen angebaut werden, allen voran Spitzwegerich, Minze, Zitronenmelisse, Thymian und Salbei. Seit 30 Jahren bauen die 60 Betriebe seiner Genossenschaft auf jährlich 40 Hektar über 50 Pflanzensorten an und beliefern mit ihren Produkten zu 65 Prozent Ricola, das Schweizer Familienunternehmen aus Laufen bei Basel. Seit 1940 produziert das Unternehmen sein viereckiges geriffeltes Kräuterbonbon auf der Basis von 13 Kräuterarten nach einer wohl gehüteten Rezeptur. „Jedes Kraut existiert in unzähligen Varianten“, erklärt Thomas Aeschlimann, Leiter des Kräuteranbaus beim Laufener Produzenten. Nach langjährigen Erfahrungen wisse man, welche die Beste ist.
Weiterlesen

„Mir war einfach nach Horizont“

Eigentlich kann ich ja von überall aus arbeiten, sagte ich mir und zog für fünf Tage in ein Schwimmendes Haus an die Ostseeküste nach Rügen, genauer gesagt nach Lauterbach bei Putbus. Mir war einfach nach Horizont zumute. Haus Nr. 4 „Hornfisch“, an Steg 1, 49 Quadratmeter mit Küche und kleinem Schlafzimmer. Eine kuschelig-wohnliche Atmosphäre mit dezenter Weihnachtsdeko empfing mich, der angenehme Geruch der Bodendielen aus Ahornholz ließen mich gleich zuhause fühlen, während draußen der eisig-kalte Ostwind über das Meer strich und das Bodden-Wasser zu kleinen Wellen kräuselte.

IMG_1786

An Steg 1 liegen sie – Wassermann, Nixe, Hornfisch etc. ….

Ich sah die Hafenarbeiter die letzten Segelyachten aus dem Wasser kranen, das Unterschiff kärchern um es von Algen zu befreien und sah, wie sie dem immer eisigeren Wind trotzten. Ich hingegen recherchierte nach Inhalten für meine Berichte, telefonierte, solange es das schwache Netz auf dem Wasser zuließ – und versuchte der ständigen Mailflut dank funktionierendem Wlan Herr zu werden.

IMG_1784

Die meisten der Segelyachten stehen in Reih und Glied an Land

Schnell ist der Vormittag verflogen, es folgt ein kurzer Spaziergang zum Hafen, hin zur Fischerei-Genossenschaft. Brathering mit Zwiebeln lautet das heutige Angebot. Zu wenig, ein Mattjes-Brötchen kommt noch hinzu. Während ich den frischen Fisch genieße, fegt eine Handvoll Gelegenheitsarbeiter das restliche Herbstlaub zusammen und häuft kleine Hügel an, die sogleich vom Wind zerstoben werden. Der Weihnachtsbaum inmitten den gepflasterten Hafenplatzes wirkt deplaziert, bei jeder Böe schwankt er hin und her. Nach der Mahlzeit zieht es mich schnell wieder zurück an den Schreibtisch.

Eine Entenfamlie zieht an meinem Fenster vorbei auf der Suche nach einem sicheren Plätzchen. Eisschollen bilden sich rund um das auf einem Photon liegenden Haus. Ein Baggerschiff vertieft die Fahrrinne im Hafen. Der Wind pfeift unablässig und laut. Schon bald ist es kurz nach vier und um halb fünf ist es dunkel. In der Ferne tuckert der Motor des Schiffes, das wie jeden Tag pünktlich loslegt und Kurs nimmt auf die gegenüberliegende Insel Vilm, um die Klimawissenschaftler der Internationalen Naturschutzakademie abzuholen.

Zeit für mich, durch etwas Bewegung neue Inspiration zu tanken. Eingepackt in die warme Daunenjacke laufe ich über den Steg zur Rezeption, richte ein paar grüßende Worte an Robby, den Segellehrer, der gerade eine neue Kabelwinde in die Lenkung eines Bootes schraubt. Am anderen Ende der Bucht erstrahlt das Badehaus Goor in vorweihnachtlichem Glanz, bis zur Bäckerei im Hafen ist es noch ein gutes Stück zu laufen.

Vorbei an dem Mastenwald der aufgebockten Segelyachten, die im Wind einen heulend-kreischenden Ton von sich geben. Peter Pan, Eisbär, Marmalade – sie alle können es wohl kaum erwarten bis sie wieder hinaus aufs Meer und ihre Segel in den Wind stellen können.

IMG_1770

In der Bäckerei scheint die Zeit stehen geblieben zu sein

In der Bäckerei ist die Zeit stehen geblieben. Die frischen knusprigen Brötchen gibt es aus einem Wäschekorb aus Plastik, den Gewürzkuchen vom Blech. Gesprochen wird kaum, keine Schnörkel, kein Getue. Ich muss an mein Thema denken: Personalisierung im Onlinehandel – warum der Service im E-Commerce so wichtig ist.

Der Service in Lauterbach ist jedenfalls anders, und wird es vorerst wohl auch bleiben, so viel steht fest. Nach Kuchen und Kaffee fühle ich mich gestärkt für weitere zwei bis drei Stunden Schreibtischarbeit. Im Hafen bei dem großen Kran ist es jetzt still geworden, überhaupt schlummert die Bucht nun einsam und winterverschlafen vor sich hin. Nur wenige Gäste bewohnen die übrigen Häuser.

Wie gut, dass ich hier auf meiner schwimmenden Insel arbeiten kann, sonst schlüge mir vielleicht irgendwann das unablässige Pfeifen des Windes aufs Gemüt. Morgen soll der Wind ohnehin abflauen, sagt der Wetterbericht. Oder fehlt er mir dann etwa?
Wie auch immer, es war eine willkommene Abwechslung vom immer gleichen Büroblick in München. Sicher komme ich bald wieder, doch dann dürfen die Tage ruhig etwas länger sein und die Natur etwas erwachter.

Eine kleine Segelgeschichte

Abfahrt

Die erste Probefahrt mit der SeeQ

Angefangen hat alles im Kormoran. Jenem kleinen Fisch-Restaurant in Lauterbach auf Rügen, nahe den Schwimmenden Häusern. Wir saßen direkt unterhalb eines großen Bildes, das ein Segelschiff in stürmischer See zeigt. Passender Anlass für ein paar Worte über die Faszination des Segelns und darüber, dass in Lauterbach regelmäßige Kurse stattfinden, die das Segel-ABC innerhalb einer Woche vermitteln.
Weiterlesen

Vietnam: Cu Chi – vom Leben unter der Erde

Ende der 1960er Jahre spielten sich hier die entscheidenden Kämpfe im Vietnamkrieg ab. Heute pilgern Tausende von Besuchern aus aller Welt zu den Tunneln von Cu Chi.

„Die Amerikaner verzweifelten daran, dass der Gegner für sie unsichtbar war“, sagt Dung Cheng. „Da halfen auch die modernsten Waffensysteme nicht“, bemerkt er stolz. Und er weiß wovon er spricht. Als knapp 20-jähriger kämpfte Dung auf Seiten der Vietcong gegen die US-Streitkräfte. Wenn er heute deutsche Touristen über das Terrain führt, wird die Erinnerung immer ein Stück lebendig. Dungs Stimme verändert sich, sein Blick verrät Trauer. Nach einer kurzen Pause erzählt er weiter. Davon, wie er und seine Mitkämpfer damals überlebten.

200 Kilometer umfassendes Tunnelsystem

„Wir lebten unter der Erde“, sagt Dung, „teils monatelang.“ In den Tunneln rund 40 Kilometer nordwestlich von Saigon, dem heutigen Ho Chi Minh City gelegen, entstand ein gigantischer unterirdischer Lebensraum. Hier wurde geschlafen, gekocht, gearbeitet, versammelt und operiert. Dank des lehmigen festen Bodens sei das weit verzweigte Netz von Wegen immer weiter ausgebaut werden – bis zu 200 Kilometer erstreckte sich das System aus 80 Zentimeter hohen und 60 Zentimeter breiten Röhren. „Und wir haben an alles gedacht“, bemerkt der heute 61-Jährige Dung. An den Rauch in den Küchen, der zerstäuben sollte, damit er die Stellungen nicht verrät. An die Eingänge, die mit Falltüren verschlossen und getarnt waren. Hinter Attrappen verbargen sich dort angespitzte Bambusrohre, die Eindringlinge aufspießen konnten. An die Wasserversorgung, die durch alle zwei Kilometer errichtete Brunnen organisiert war. „Durch Klapptüren, die mit Laub und Gras bewachsen waren, gelangten wir nach draußen.“

Vietnam_Herre1

So eng ist der Einstieg in die Tunnel von Cuchi

Weiterlesen