Archiv der Kategorie: Städte & Metropolen

Istanbul: Herzschlag für Europa

Die Metropole am Bosporus verbindet die arabische Welt mit dem Abendland. Und ist damit der Europäischen Union ganz nah. Manche fühlen sich schon als Teil davon und tun etwas für die Verständigung.

Sonntags ist auf der Galata-Brücke Hochbetrieb. Im oberen Teil der zweigeschossigen Brücke stehen die Fischer in Reih und Glied. Alle paar Minuten lassen sie ihre Köder hinunter ins Goldene Horn, jenem Seitenarm des Bosporus, der auf zehn Kilometer Länge den europäischen Teil Istanbuls trennt. Während man in der unteren Etage der Brücke im Restaurant seinen Fisch verspeist, kann es passieren, dass vor dem Fenster ein Fisch an der Angelrute zappelt. Nicht weit entfernt am Fähranleger Eminönü vor der Silhouette der gewaltigen Süleyman-Moschee flanieren Alt und Jung, Moslems und Christen, Touristen und Einheimische am Ufer des Goldenen Horns. Die meisten bestellen an den mächtig schwankenden Restaurantschiffen Balik Ekmek – gegrillter Fisch im Brot mit hohem Kultstatus.

Fischen auf der Galata-Brücke

Fischen auf der Galata-Brücke

Haldun ist jeden Sonntag hier. Der junge Student aus Ankara, der seit einem Jahr an der Universität Istanbul Deutsch studiert, beobachtet das Treiben der Menschen rund um den Fähranleger mit Blick auf den Galata-Turm, einem genuesischen Wachturm, der seit dem Jahr 1348 über das einstige Händlerviertel thront. Hier lernt er am besten Deutsch. „Meist spreche ich Touristen an, die wie Deutsche aussehen“, meint der 19-jährige, „wenn sie wollen, führe ich sie durch die Altstadt.“ Haldun wünscht sich nichts sehnlicher als ein Teil Europas zu sein. In Deutschland war er noch nie, aber sein Lieblingsverein heißt Hansa Rostock. Für ihn ist die deutsche Sprache ein Türöffner. Genauso wie Istanbul noch immer für viele Zuwanderer aus Anatolien Arbeit und Wohlstand verheißt. Heute leben in der weltweit einzigen Stadt auf zwei Erdteilen rund 12,5 Millionen Menschen. Mehr als eine Viertel Millionen von ihnen sind Studenten.

Nicht erst seit Istanbul im Jahr 2010 den Status als Kulturhauptstadt Europas inne hatte, bietet die größte türkische Stadt eine breit gefächerte Szene von jungen Künstlern in Musik, Theater, Oper und Ballett. Hinzu kommt die agile türkische Modebranche, die in der Stadt zuhause ist. Aber auch ihre Chance als Kulturhauptstadt hat die Metropole genutzt: Neue Bauten entstanden, andere wurden restauriert. Selbst ganze Stadtviertel fielen teils unter den Hammer. Ein so genannter Stadterneuerungsplan sollte ganze Viertel umkrempeln. Sehr zum Missfallen der betroffenen Bevölkerung. Bürgerinitiativen entstanden, Architekten liefen Sturm. „Ohne Chance“, weiß Haldun über den Widerstand zu berichten. So sei etwa Sulukule, das alte Vergnügungsviertel und gleichzeitig das älteste Viertel der Stadt überhaupt im März 2008 komplett abgerissen worden. Moderne Wohnhäuser für Wohlhabende werden hier entstehen.

Quo vadis Istanbul?

Quo vadis Istanbul?

Ein deutsches Pärchen profitiert heute von Halduns Stadtführer-Qualitäten. Er führt seine Gäste vom ganz im Zeichen des Staatsgründers Atatürk stehenden Taksim Platz hinunter zur Galata-Brücke. Unterwegs zückt er immer wieder sein kleines Wörterbuch und wirft überglücklich die nächste Vokabel ein.

Die Bosporusbrücke

Die Bosporusbrücke

Haldun begleitet sein Pärchen über die Shopping-Meile Istiklal Caddesi, jener Prachtstraße im Jugendstilcharakter mit ihrer Mischung aus europäischem und orientalischem Flair, verweilt am 70 Meter hohen Galataturm und streift durch die engen Gassen von Beyoğlu mit ihren kleinen Kunstgewerbe-Läden, Boutiquen und Schmökerstuben.

Am frühen Abend ist um die Brücke der Trubel groß. Musik und Konzerte locken besonders junge Leute aus allen Stadtteilen. „Eine tolle Stimmung“, gibt sich Haldun begeistert und ist zugleich stolz darauf, seinem deutschen Touristenpaar Highlights einer Stadt zu zeigen, in der er selbst schnell heimisch geworden ist.

Übernachtung

The Marmara Istanbul
Taksim Meydani
34437 Istanbul
Tel. +90 212 251 46 96
www.themarmarahotels.com

Preis & Buchung:
Preise ab 140 Euro pro Doppelzimmer und Nacht.
Öger Tours, www.oeger.de

Ho Chi Minh City: Zwischen Moped und Nudelsuppe

Die Menschen in Vietnam strotzen vor Optimismus und Charme. Am besten lässt sich das Lebensgefühl in Ho Chi Minh City, dem ehemaligen Saigon erleben. Auf den Straßen herrscht bizarres Verkehrschaos, auf den Märkten blüht der Handel und jeder lebt den Geist des Fortschritts auf seine Art.

„Hello“ rufen die Leute freundlich. Aus jedem Haus ein Lächeln, ein Gruß, ein Winken. Sie sitzen auf kleinen Zwergstühlen, schaukeln in der Hängematte, lassen sich rasieren, reparieren Mopeds, kochen Pho, Nudelsuppe, oder treiben Handel. „Der Handel macht die Menschen glücklich, jedes Haus ist ein Shop“, sagt David Bellman. Das Gefühl des Aufschwungs mache die Leute fanatisch, eine „Explosion an Möglichkeiten“.

Normales Verkehrschaos

Normales Verkehrschaos

Als der gebürtige Kanadier 1995 als Englischlehrer nach Saigon kam, war davon kaum etwas zu spüren. „Wie ein Exot“ habe er sich gefühlt, erzählt der 38-jährige, aber schon damals seien die Neugierde und Gastfreundschaft der Menschen groß gewesen. Davon profitieren auch heute die über fünf Millionen internationale Touristen, die die ehemalige französische Kolonie mittlerweile pro Jahr bereisen. „Doi Moi hat es möglich gemacht“, liefert David den entscheidenden Grund. Es meint die Erneuerung des Wirtschaftssystems seit 1986. Aus der Kommandowirtschaft wurde ein Wirtschaftssystem mit stark marktwirtschaftlicher Prägung. Aus einem Land mit Hungersnot entwickelte sich einer der größten Exportnationen für Nahrungsmittel weltweit. Die Nummer zwei bei Kaffee und Reis und aufstrebend bei Pfeffer, Tee, Cashew-Nüssen, Meeresfrüchten, Fisch und Kautschuk. Und bei dieser Erfolgsgeschichte soll es auch bleiben – wenn es nach den Menschen geht. „Hier spricht oder klagt keiner über Politik“, sagt David, „Hauptsache es gibt keine Hindernisse.“

Der Mann aus Montreal mischt kräftig mit beim Wachstum. David unterrichtet kein Englisch mehr, er spricht jetzt fließend vietnamesisch und berät die Menschen in der Landwirtschaft – hier arbeiten immerhin noch 60 Prozent der Bevölkerung. Vor ein paar Jahren gründete er mit Linh, seiner vietnamesischen Frau, eine Food Company und beschäftigt mittlerweile 84 Mitarbeiter. „Alle sind hochmotiviert, sehr lernwillig und ehrgeizig“, skizziert der Unternehmer mit einem Strahlen. Vor allem Fischereiprodukte seien inzwischen zu einer der wichtigsten Säulen von Vietnams Exportwirtschaft geworden. „Anders als beim Reisanbau lässt sich hier das zehnfache verdienen“, weiß David. Er mag die Menschen seiner Wahlheimat und ist froh, dass jeder vom Aufschwung profitiert – „selbst die ärmsten“. Er schätzt ihre Bereitschaft zum Risiko und weiß, dass sie „jede Schwierigkeit bewältigen“.

Das beweist auch der Blick auf Saigons Lebensadern eindrucksvoll: Da rauschen die mehr als 2,5 Millionen motorisierten Zweiräder pausenlos durch die Straßen der 7-Millionen-Metropole und zeigen dabei reichlich Geschick. Grundregel Nummer eins: „niemals stoppen“ – das unterbricht den Fluss und macht unberechenbar. Regel Nummer zwei: hupen was das Zeug hält. Manche haben beim Fahren besonderes Talent. Nicht selten werden Türen, Fenster, Schränke, sperriges Baumaterial auf den kleinen Flitzern transportiert – und selbst bei diesen waghalsigen Aktionen darf eine gewisse Eleganz nicht fehlen. Unsichtbar dafür aber deutlich zu riechen ist der Gestank, den die Schar der Motorisierten tagtäglich produziert.

Die meisten wappnen sich mit Mundschutz gegen die Abgase. Bei den Frauen hat es noch einen anderen Grund: „Eine Art Phobie, ihre Haut soll weiß bleiben, so will es das Schönheitsideal“, klärt David auf. Der Verkehr ist eine tickende Zeitbombe und eine Lösung nicht in Sicht. „Wir leben ganz einfach damit“, sagt David leicht gequält und fügt hinzu: „Das Moped ist Ausdruck des neuen Lebensgefühls.“ Was für den Touristen ein faszinierendes Schauspiel ist, dürfte spätestens in ein paar Jahren zu einem ernsthaften Kollaps führen. Erste Maßnahmen versprechen wenig Änderung: Die Stadtverwaltung erstattet die Hälfte des Buspreises, aber lieber fährt man zu viert oder fünft auf der kleinen Honda und ist mit dabei im Spektakel des unendlichen Fahrrausches. Auch die Pläne für eine U-Bahnlinie liegen mangels finanzieller Mittel weiter in der Schublade.

Rasantes Bevölkerungswachstum

Im Ben-Thanh-Markt herrscht reges Treiben: Frauen schneiden Fleisch, säubern Fische, sortieren Ware, Männer schleppen Kisten und auch hier finden die flinken Mopeds mit einem krächzenden Hupton ihren Weg durch die Menge. In den schmalen Gängen türmen sich Porzellan, Textilien, Gemüse und Gewürze. Mütter tragen Kinder im Arm, sie sitzen auf dem Boden vor der improvisierten Garküche. Kinder sind überall: Wer in einem Bus sitzt wundert sich, dass kaum ein Fahrgast über 30 ist. „Jedes Jahr kommen eine Millionen Vietnamesen hinzu“, so Davids lakonischer Kommentar zum rasanten Bevölkerungsentwicklung.

Auch sie werden eines Tages Handel treiben und die unzähligen Einkaufsstraßen mit Läden allen Bedarfs bevölkern. „Jede Straße bietet ein bestimmtes Produkt“, sagt Dung in perfektem Deutsch. Er sitzt am Nebentisch und schlürft seine Nudelsuppe mit Rindfleisch. Dung gehört zu den mehr als 70000 Vietnamesen, die in der DDR studiert und Deutsch gelernt haben. In manchen Straßen gebe es nur Näh- oder Bohrmaschinen, in anderen nur Staubsauger, in den nächsten Kräuter- und Tees, erzählt er. Und wie überlebt man bei solcher Konkurrenz? „Das Prinzip heißt kaufen und verkaufen – immer und überall.“

Mehr Information
TUI Rundreise „Südvietnam Kaleidoskop“, 8 Tage mit Anschlussaufenthalt, ab/bis Frankfurt mit Vietnam Airlines, Stationen: Saigon, Can Tho, Dalat
http://www.studienreisen.de/studienreise_124426.html

Hotline: 06373-811728

Dublin: Neues Leben in der Altstadt

Vor 25 Jahren stand der traditionsreiche Stadtteil Temple Bar noch kurz vor dem Untergang. Dank erfolgreicher Stadtsanierung wurde der Distrikt wieder zum Leben erweckt. Heute kriegt das Auge nicht genug vom bunten Treiben und überall swingt die Musik. Ein Rundgang durch Dublins Old City.

Ex-Journalist Pat Liddy führt durch Temple Bar

Ex-Journalist Pat Liddy führt durch Temple Bar

Laut tönt die Bar-Lounge Musik auf die Straße. Geöffnete Türen und Fenster, überall lachende Menschen mit Cocktailgläsern und Bierflaschen in der Hand. „Offenbar eine Party“, denkt der angereiste Besucher und sucht den richtigen Eingang zum Hotel. Richtig? Die Rezeption ist zugleich der Eingang zur Bar, aus der die Partystimmung dringt. Schnell die Kreditkarte durch den Scanner gezogen und schon ist man drin im Hotel „The Morgan“ in der Fleet Street, im Herzen des heutigen Amüsierviertels Temple Bar.

Doch das war nicht immer so. Heruntergekommen und vergessen sei das Viertel noch Anfang der 90er Jahre gewesen, erzählt Pat Liddy, Ex Kolumnist der Irish Times, Buchautor und Illustrator – seit einigen Jahren führt er Besucher-Gruppen durch sein Viertel. Wohnten Anfang der 90er Jahre gerade mal 200 Menschen hier, seien es jetzt über 3000, Tendenz steigend, weiß Liddy zu berichten. Ein behutsames und weitsichtiges Stadtsanierungs-Projekt rettete in den Jahren von 1991 bis 1999 das verloren geglaubte Stadtviertel aus dem Abseits.

Grundbesitzer Sir William Temple schuf einst einen Wall

„Mit großzügigen Steuervorteilen seien Investoren gefunden worden und in diesem Zeitraum hätten über 30 Millionen Euro öffentliche Gelder die Old City zu dem gemacht, was sie heute ist – ein anziehendes Kultur- und Vergnügungsviertel. „Mehr als 20 Pubs, bis zu 50 Restaurants, 20 Hotels und dutzende Cafés und Läden aller Art haben sich hier angesiedelt“, erklärt Liddy freudestrahlend. Wieso eigentlich Temple Bar? Es sei der Grundbesitzer Sir William Temple gewesen, der im Jahr 1660 einen Wall gegen den steigenden Pegel des Liffey baute, und dieser Wall heiße „Bar“.

Die Wege sind kurz im Temple Bar Quartier und nie langweilig. Vor allem Musik wird zum dauerhaften Erlebnis. Am Temple Bar Square steht ein einzelner Gitarrist und singt mit eindringlicher Stimme seine Oldies, ein paar Ecken weiter wird die Dubliner Wall of Fame zum Monument: Van Morrison, Rory Gallagher, Shinnead O’Connor und natürlich U2 sind hier neben anderen Stars und Bands als riesige Fotos auf die Fassade gebracht. Musik, Film, Photography und Theater sind feste Größen im Viertel, hier das Music Centre mit den Aufnahmestudios, dort die National Photograph Academy, Filmproduzenten und Gallerien besiedeln die Kopfstein gepflasterten Gassen. Ein Grund, weshalb „die Leute vermehrt rechts des Liffey ziehen, statt in die Vororte abzuwandern, “ bestätigt Liddy.

Und viele der neuen Bewohner, so Liddy weiter, wüssten gar nicht, dass „unter den Gassen von Temple Bar ein mittelalterliches Kloster liegt“, über 1000 Jahre alte archäologische Schätzen lägen dort verborgen. Ein Grund dafür, dass sich viele der kleinen Straßen zur Mitte hin wie eine venezianische Brücke wölben. Über diese Straßen vorbei an vereinzelt musizierenden Straßenmusikern geht es zum Food Market am Meeting House Square. Samstags ist der kleine Platz voll mit Ständen aller Art, von heimischen bis exotischen Früchten und Gemüsearten, reichlich Käsesorten, Säfte und Gebäck ist das Angebot üppig. Auffällig, dass sich kaum Touristen entlang der Stände bewegen – der Markt lebt vor allem von den Einheimischen. Anders ein paar Straßen weiter auf dem Designer Mart at Cow’s Lane: In der schmucken Passage gegenüber der Kirche locken Hutmacher, Schneider, Schmuckhändler und Maler auch das touristische Interesse.

Ein besonderes Highlight hätte er noch, kündigt Liddy an – die erweiterte Temple Bar gewissermaßen. Über die Half Penny Bridge führt der Weg auf die andere Seite des Liffey. An der Mary Street steht eine Kirche aus dem 18. Jahrhundert, davor ein in Glas gehüllter Tower. „Die St. Mary’s Church ist seit zwei Jahren Café, Bar, Restaurant und am Wochenende auch ein Nightclub“, sagt Pat Liddy. Schon beim Betreten dringt rhythmischer Chillout-Sound aus dem Kirchenschiff mit der mächtigen Orgel und den mit Glasmalereien bespickten Fenstern – „in Irland nichts ungewöhnliches“, erklärt Liddy schmunzelnd und man glaubt es ihm sofort.

Mehr Information
Irland Information, Gutleutstraße 32, 60329 Frankfurt am Main
Tel.: 069 – 6680 0950
www.ireland.com

Übernachtung
Hotel The Morgan
10 Fleet Street, Temple Bar, Dublin 2
Tel: +353 1 6437000
www.themorgan.com

Pat Liddy’s Walking Tours of Dublin
www.walkingtours.ie

Märkte
– Temple Bar Food Market: Samstags 10.00 h – 16.30 h, Meeting House Square
– Temple Bar Book Market: Samstags und Sonntags 11.00 h – 18 h, Temple Bar Square
– Designer Mart at Cow’s Lane: Samstags 10.00 h – 17.00 h, Cow’s Lane

Granada: Wo die Häuser Carmen heißen

Es muss nicht immer ein Palastbesuch sein, um eine Stadt näher kennen zu lernen. Manchmal reicht auch eine kleine Werkstatt oder ein Stadtviertel aus.

Der Geruch nach Holzspänen und Leim liegt in der Luft. Im Regal an der Wand stehen fein säuberlich die Gitarren in Reih und Glied. Ein unfertiger Corpus liegt auf dem Arbeitstisch. Im Blaumann und mit Lesebrille auf der Nase bearbeitet José López Bellido die runde Öffnung des Corpus mit einer Spezial-Feile.

José López Bellido  in seiner Gitarrenwerkstatt unterhalb der Alhambra

José López Bellido in seiner Gitarrenwerkstatt unterhalb der Alhambra

Das macht er nun seit 50 Jahren so in der kleinen Gitarrenwerkstatt in der Calle Gomérez unterhalb der berühmten Alhambra, der Palaststadt auf dem Hügel Sabika. „Ich liebe den Gitarrenbau und kann nicht damit aufhören“, bekennt der knapp 70-Jährige Granadiño. Früher hat er acht Gitarren pro Jahr gebaut, heute sind es noch zwei oder drei. Meist auf Bestellung, seine treuesten Kunden sitzen in Deutschland. Am liebsten baut er für klassische Konzertgitarristen. Die sind „seriöser und zuverlässiger“ als die Flamenco-Künstler meint José. Und besser ins Gespräch komme man auch.

Durch das Albayzin weht ein Hauch Kreuzberg

Apropos Flamenco: Den erwartet man in dieser Stadt ohnehin an jeder Ecke, in jeder Bar, in jedem Konzertsaal. „Besonders zum Festival für Musik und Tanz Ende Juni/Anfang Juli“,  sagt Maria de los  Reyes, die Stadtführerin. Wein fließt dann in Strömen und die Tanzschuhe klackern pausenlos übers Parkett. Und was für den Gitarristen seine Gitarre, für die er bei José gut 5.000 Euro ausgibt, ist den Tänzerinnen ihr Kleid. „Jedes Jahr ein neues – das ist Pflicht“, bestätigt Estela, die eigentlich aus Sevilla stammt. „Flamencokleider sind ein Teil meines Lebens“, gesteht die Andalusierin. Auf deutlich über 20 schätzt sie die Anzahl der bunten Kleider in ihrem Schrank. Einige seien noch von ihrer Mutter, die sie ihr einst als Kind nähte.

Auch ohne Flamenco sprüht die Stadt mit ihren 60.000 Studenten nur so vor Kultur. Ob Film- oder Jazzfestival, Theatertage oder die vielen Gesichter des Viertels Albayzín, dem lebendigen Erbe von Al-Andalus, jener Zeit von 711 bis 1492 als Granada und die Region Andalusien unter arabischer Herrschaft standen. „Ein bisschen wie in Berlin-Kreuzberg“, sagt Maria, die ein paar Jahre in den 1980ern in Berlin gelebt hat. Und sie hat recht. Auf dem Basar reihen sich Tee-, Teppich- und Stoffläden eng aneinander, Handel und Geschäfte florieren, Wasserpfeifen machen die Runde.

Häuser blicken hin zur Alhambra

Auch wenn man  von der Plaza Luque durch die schmalen Gassen schreitet, teils umgeben von der alten Stadtmauer und den Stadttoren wie die Puertas de Monayta  und de Elvira aus dem 9. Jahrhundert, spürt man den Flair der einst islamischen Stadt mit jedem Schritt. An jeder Abbiegung des labyrinthartigen Gassen-Wirrwarrs sind sie zu sehen: Die Carmenes, die Vorzeigehäuser des Viertels. Meist sind es kleinere Bauten, die von üppigen Schatten spendenden Wein- und Blumenränken umgeben sind. „Carmen de la Encarnación“ oder „Carmen de la Alcazaba“ prangt in geschwungenen blauen Buchstaben auf Keramiktafeln vor den Hauseingängen. Ihre Front blickt stets auf die andere Seite des Flusses Rio Genil hin, dort, wo die allgegenwärtige Alhambra thront. Diese Ausrichtung sei eine „typische Eigenart dieser Wohnform“, sagt Maria.

Dort die Alhambra und im Albayzin auf der Plaza del Abad steht die ehemalige Hauptmoschee, auf der nach der Rückeroberung durch die Christen die Kirche Salvador errichtet wurde. Geblieben ist der Moscheehof für rituelle Waschungen, die Originalsäulen der Moschee und eine tiefe Zisterne. Unweit davon liegt der kleine Plaza del Aliatar – ein Idyll, das man sofort mit seiner Kamera festhalten möchte. Hier ein Café, dort ein Tante Emma Laden und an der Ecke La Floristeria mit einer bunten Pracht aller erdenklichen Blumen und Pflanzen. Kleine Balkone lugen auf die Plaza hinaus, ältere Herren mit Stock sitzen auf Bänken und halten ein Schwätzchen, Kinder jagen einem abgewetzten Ball hinterher. „Es ist die besondere Mischung, die das Albayzin ausmacht“, sagt Maria. „Alteingesessene Familien, Künstler, Immigranten und Bohemians.“ Manchmal kommen sie am Abend alle zusammen auf dem Mirador de San Nicolás, jenem Ausblickspunkt an der gleichnamigen Kirche. „Wenn die Sonne hinter der Silhouette von Alhambra und Sierra Nevada versinkt, hat man von hier den besten Platz“, schwärmt Maria.

Wenn dann der Duft von Orangenblüten die Luft erfüllt geht man weiter auf die Plaza Charca, wo aus der Bar feurige Gitarrenklänge herüber wehen. Ein Gitarrist spielt voller Leidenschaft auf seinem Instrument. Vielleicht ist es eine Gitarre aus Zypressenholz, die José in seiner kleinen Werkstatt in wochenlanger Feinarbeit erschuf. Dem Konstrukteur würde es gefallen.

Mehr Information
Spanisches Fremdenverkehrsamt Berlin
Telefon: 0 30 – 8 82 65 43
www.e-spain.info
www.turgranada.es

Übernachtung
Hotel Alhambra Palace: Pena Partide 2 4, Granada, 18009 Spanien
www.h-alhambrapalace.es

Aberdeen: Wenn die Häuser silbrig schimmern

Wenige reisen nach Aberdeen nur um die Stadt zu besichtigen. Eher fungiert sie als Basisstation für die nah gelegenen Bohrinseln. Doch wer hinfährt und Zeit mitbringt, wird viel entdecken – Delfine zum Beispiel.

Gemächlich und langsam ziehen die Schiffe am „Silver Darling“ vorbei in Richtung Hafen. Andere passieren den Turm mit dem edlen Fischrestaurant in entgegenkommender Richtung und gelangen kurz darauf in die offene Nordsee. Das Meer der kleinen Schornsteine im nahe gelegenen alten Fischerviertel Footdee wirkt bizarr am rötlich schimmernden frühsommerlichen Abendhimmel. Geht der Blick hinaus auf die See tummeln sie sich vor lauter Vorfreude auf einer Linie vor der Küste – die Delfine.

„Hier ist ihr Lieblingsort“, sagt Ian Hay von der East Grampian Coastal Partnership, einer freiwilligen Küstenschutzorganisation. „Sie fangen in dem klaren Wasser Lachse und Meeresforellen und wissen, dass ihnen von den langsamen Schiffen, die den Hafen ansteuern, keinerlei Gefahr droht.“ Hay liebt die „zutraulichen und intelligenten Meeressäuger“ wie seine Stadt. Er ist überzeugt, dass es nirgendwo leichter ist, Delfine zu beobachten als in Aberdeen.

Alister McDermitt ist sicher: Der Öl-Boom hält noch 40 Jahre lang

Alister McDermitt ist sicher: Der Öl-Boom hält noch 40 Jahre lang

Der drittgrößten Stadt Schottlands, die bisher kaum auf der Agenda von Touristen stand, weiß Beryl Preuschmann, die Berlinerin, die seit vier Jahren für Visit Schottland tätig ist und nun Besuchern „die anderen Seiten Schottlands“ näher bringen will. Zu sehr war die 210.000 Einwohner zählende Küstenstadt im Nordosten des Landes bisher damit beschäftigt, das Kapital auf hoher See zu bergen. Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war es das Öl der Walfangflotten, dann machten in den 1960er Jahren die Off-Shore Ölplattformen in der Nordsee die Stadt wohlhabend. Sie wurde zur Off-Shore Capital of Europe.

Maritime Museum zeigt die Schiffsbautradition

Die vielen Hubschrauber am Flughafen zeugen von der permanenten Flugkette vom Festland zu dem Pattformen und im Hafen liegen die Versorgungsschiffe der Bohrinseln. „Gut 30 bis 40 Jahre wird der Öl-Boom noch dauern“, ist sich Alister Mc Dermott, der Scottish Tourist Guide, sicher und er schreitet in seinem schneidigen Kilt, dem Schottenrock, stolz durch die Stockwerke des Maritime Museums, das dem Besucher ein Bild vom Leben auf den Bohrinseln vermittelt. Und daran erinnert, dass ein Aberdeener Werften auf eine lange Tradition des Schiffsbaus zurückblicken.

Langsam bereite man sich im Nordosten schon auf die Zeit nach dem Öl vor, räumt Alister ein, der voller Zuversicht die Strandpromenade entlang in Richtung des legendären „Beach Ballroom“ spaziert, wo die Stones und die Beatles ihre großen Konzerte gaben. Zu bieten habe Aberdeen genug. Besonders wenn die Sonne die Häuser aus Granit silbrig schimmern lässt. Daher stamme ihr Name – Silver City. Dann erhält die Lebensader der Stadt – die Union Street – mondänen Glanz, dann wirkt das nahezu 100 Meter lange aus Granit erbaute Marischal College geradezu royal und der Merchant Cross, der mittelalterliche Handelsplatz mit seinen Marktständen versprüht fast mediterranes Flair.

„Aberdeen ist auch berühmt wegen seiner vielen Blumen“, sagt Beryl. Schon sechs Mal habe die Küstenstadt den landesweiten Wettbewerb als „Stadt in der Blüte“ gewonnen. Danach durfte sie nicht mehr teilnehmen, zu fortgeschritten war ihr Standard. Tatsächlich sind die überall sprießenden Blumen und Pflanzen ein ständiger Wegbegleiter – kaum ein Platz, eine Verkehrsinsel eine Freifläche, die nicht in phantasievoller Weise bepflanzt ist. Der Gipfel der Blumenpracht ist im Duthie Park, im Botanischen Garten mit seinen hunderten und tausenden verschiedener Pflanzen aus aller Welt zu bewundern. Der dazugehörige Rosenpark gilt als einer der schönsten in ganz Europa und die David Welch Wintergärten, benannt nach dem heimischen Parkarchitekten, „sind mit ihrem Tropenhaus und ihrer breiten Ansammlung südamerikanischer Pflanzen einzigartig“, bestätigt Beryl.

Theke und Zapfanlage statt Altar und Gebetbänke

Zu bewundern sind auch die vielen Kirchen der Stadt. Tritt man mit jener für Gotteshausbesuche üblichen Ehrfurcht hinein, ist es der Barmann, nicht der Geistliche, der den verwirrten Besucher freundlich anlächelt. Statt Ruhe und Andacht füllen Musik und Stimmengewirr das einst weite presbyterianische Kirchenschiff, das jetzt auf mehreren Stockwerken einen belebten Pub beherbergt. Gemütliche Sitznischen nahe des mit Glasmalerei versehenen Kirchenfensters, simulierte Bücherwände, hinter denen sich Toiletten verbergen – für deutsche Besucher höchst ungewohnt, für Schotten eine pragmatische Lösung. „Besser als wenn sie verfallen“, meint Alister trocken-pragmatisch. Bei landesweit weniger als 20 Prozent regelmäßiger Gottesdienstbesucher mutieren die Kirchen daher in Großbritannien seit 2002 zu Pubs – eine Kirche in Sheffield machte damals den Anfang.

Noch eine Verwandlung hat die Silver City durchlebt. In den Cottages von Footdee, der gut 200 Jahre alten Fischersiedlung nähe des Hafens, haben jetzt teils Künstler ihre Heimstatt gefunden. Jedes Haus präsentiert sich in anderem Gewand: mal mit Schiffsaccessoires geschmückt, mal mit Figuren und Zwergen verziert oder mit Pflanzen bedeckt. Statt Netze zu reparieren entwerfen die Bewohner nun Glasmalereien und Ölgemälde. Wie Shelagh Swanson, die vor ihrem Giebelhaus sitzt und die Kollektion für ihre neue Ausstellung plant. „Eine tolle Mischung aus jung und alt lebt hier,“ schwärmt sie über das besondere Klima in der Siedlung während im Hintergrund das Rauschen der Nordsee zu hören ist – die Music of the Sea, wie ein kleines Schild in gälischer Sprache an Shelaghs Haus verkündet.

Mehr Informationen
http://international.visitscotland.com/de/

Restaurant
Seafood Restaurant Silver Darling: North Pier, Pocra Quay, Aberdeen.
Tel: 01 224 576229
http://www.silverdarling.co.uk/

Howies Restaurant: 50 Chapel Street, (just off Union-Street), Aberdeen
Tel: 01 224 639 500
http://ww.howies.uk.com/aberdeen.php

Übernachtung
Aberdeen City Centre Hotel: Belmont Street, AB10 1JR Aberdeen
Tel.: 01 224 658 406