Malmö: Pippi wohnt jetzt im Hochhaus

Sie hat den Imagewandel erfolgreich bewältigt, von der Arbeiterstadt zur modernen Wirtschaftsmetropole. Schwedens drittgrößte Stadt ist jung, voller Überraschungen und höchst kreativ. Ein Wochenende in Malmö reicht aus um verzaubert zu werden.

Als würfe jemand mit der Rückhand eine Frisbeescheibe. Dieses Bild einer gedrehten Wirbelsäule beim Wurf lieferte dem spanischen Stararchitekten Santiago Calatrava die geistige Vorlage für ein Bauwerk, das zum Symbol des neuen Malmö geworden ist – des Turning Torso. 190 Meter ragt das Hochhaus in den Himmel und hat sein Fundament dort, wo einst mehr als 6000 Arbeiter in den Werften Schiffe bauten – in Västra Hamnen, im westlichen Hafen.

Der Turning Torso ist Wahrzeichen der Stadt

Der Turning Torso ist Wahrzeichen der Stadt

Ein Areal, das die Verwandlung der Hauptstadt der Provinz Skåne(Schonen)  in besonderer Weise widerspiegelt. Wurde früher für die industrielle Fertigung im Hafen Land aufgeschüttet, so wird heute das Land dafür genutzt, den so fruchtbaren Boden der Kornkammer Schonens zu schützen. „Malmö muss dichter und höher bauen“, bestätigt Rosemarie Hagelborn, die vor 30 Jahren als Schweizerin nach Schweden kam und die Veränderungen ihrer neuen Heimat mit erlebte. „Der Boden in Schonen ist so fruchtbar wie sonst nirgends in Schweden“, bestätigt sie. Ein Grund dafür, dass man auch vergeblich jene typischen roten Holzhäuser sucht, wie man sie aus den Verfilmungen von Bullerbü und Pippi Langstrumpf kennt.„Schwedens Fläche besteht zur Hälfte aus Wald“, sagt die gebürtige Schweizerin, in jenen Regionen gibt es auch die Holzhäuser, hier sind die Korn-Felder.

Häuser unterschiedlichster Stilart prägen hingegen Västra Hamnen. Ein Wohngebiet für 20.000 Menschen, ganz nach umweltfreundlichen und nachhaltigen Gesichtspunkten errichtet. „Auch alte Gebäude und Werfthallen werden restauriert und für Wohnzwecke umgestaltet“, berichtet Rosemarie begeistert. Der Westhafen strahlt auch durch seine Einwohner ein junges Flair aus: „Der Altersschnitt liegt bei 25 bis 44 Jahren.“ Frauen und Männer mit Kindern auf dem Fahrradsitz, Bioläden mit erlesenen Produkten sowie Cafes und Kneipen erinnern an Berlins Prenzlauer Berg. Auch die 125 Sprachen, die in der Stadt gesprochen werden, machen sich im Westhafen bemerkbar.

Turning Torso und Västra Hamnen

Turning Torso und Västra Hamnen, Coypright: Justin Brown


Wie ein Magnet wirkt das ehemalige Hafengebiet auf junge Leute und garantiert damit weiteres Wachstum. Denn „sie werden sich auch vermehren“, fügt Rosemarie schmunzelnd in ihrem trockenen Humor hinzu. Ihre Anekdoten sind voll mit skurill-lakonischen Details, so dass der Besucher die neue Umgebung mit ganz anderen Augen sieht. So etwa die Anrainer des strandnahen Golfplatzes. „Sie saßen mit Helmen in ihren Gärten“, erzählt die Wahl-Schwedin, „weil sie sich vor den herüber fliegenden Golf Bällen schützen mussten.“ Die Stadtverwaltung hatte wohl das Abfangnetz vergessen, klärt sie trocken auf und widmet sich wieder den Fakten.

24 h Paddeln rund um die Altstadt

24 h Paddeln rund um die Altstadt

Sie erzählt vom alljährlichen 24-Stunden-Paddeln. Dort wo früher die Stadtmauer um Gamla Staden, die Altstadt, verlief, umrundet jetzt ein Kanal den Stadtkern – hier paddeln jung und alt mit ihren Kanus über das braungrüne Wasser des Rörsjökanalen. Runde für Runde kommen sie an den Treppen mit den Katzen vorbei. Katzen? Es sind aus Blei gegossene Katzenfiguren in unterschiedlichen Posen, die auf den Treppen am Kanal hocken, liegen, oder laufen. Shopper, Ausflügler, Touristen und Geschäftsleute verweilen hier zu einer kurzen Rast während die Kanuten ihre Grenzen austesten. „Bis  zu 190 Kilometer legen manche zurück“, schreibt die regionale Presse in ihrem Vorbericht.

Die Öresundbrücke verbindet Malmö mit Kopenhagen

Die Öresundbrücke verbindet Malmö mit Kopenhagen

Auf über 500 Kilometer kommt das städtische Netz an Fahrradwegen und ist damit weltweit eines der größten. Zum Vergleich: Deutschlands selbst ernannte Fahrradhauptstadt Münster hat ein Radwegenetz von über 300 Kilometern. Wenn es um Kilometer geht kommt man auch an der Öresundbrücke nicht vorbei. Seit 13 Jahren verbindet sie auf acht Kilometern Länge Dänemark und Südschweden. „Endlich wissen die Leute, wo Malmö liegt“, flackst Rosemarie um im nächsten Moment auf den städtischen Sandstrand Ribersbrogssstanden, auch Ribban genannt, zu verweisen. Von hier sieht man die Brücke wie ein gigantisches Ungeheuer auf Kraken am Horizont prangen. Wer an kühleren Tagen das am Stand gelegene Sauna-Badehaus Ribersborg-Kallbadhus besucht, schwitzt und relaxt im Charme des beginnenden 20. Jahrhunderts und blickt dabei auf den Turning Torso und die Brücke eines neuen Zeitalters.

Alter Brunnen am Lille Torg

Alter Brunnen am Lille Torg

Wie ein roter Faden zieht sich das Zusammenspiel von Alt und Neu durch die gesamte Stadt. Vom Westhafen ist es nicht weit bis zum Lilla Torg, dem kleinen Platz gleich hinter dem Rathaus. Hier fühlt man sich zurückversetzt ins 16. Jahrhundert, als in Schonen im gemütlichen Fachwerkstil gebaut wurde. „Ein Relikt aus der Zeit der über 500 Jahre währenden dänischen Herrschaft“, liefert Rosemarie gleich die historische Einordnung. Cafes, Restaurants und Kneipen dicht an dicht, in der Mitte des Platzes ein alter Brunnen – hier pulsiert das junge Leben vor historischer Kulisse.

Cafes und Kneipen reihen sich am Lille Torg aneinander

Cafes und Kneipen reihen sich am Lille Torg aneinander

Besonders am frühen Nachmittag und am Abend ist auf dem Platz und den angrenzenden Gassen das feier- und genussfreudige Malmö unterwegs und lässt einen Hauch Eurovision Song Contest aufziehen. „Die Schweden sind stolz auf ihre musikalische Tradition“, meint Rosemarie. Überall spielen in den Gassen und Seitenstraßen kleine Musik-Gruppen, einige Frauen lassen vor der Fassade eines alten Kinos ihre Stimmen ertönen. Gänsehautgefühl macht sich breit.

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