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Stewart Island: Autodidaktin im Regenwald

Neuseeland gilt als Ende der Welt, doch wer kennt schon Stewart Island. Der letzte Vorposten der Antarktis ist ein einzigartiges Tier- und Pflanzenparadies. Wer herkommt möchte bleiben, wie Furhana Ahmad, die bezaubert war und sich jetzt ein Kiwi nennt.

Furhana auf Ulva Island

Furhana auf „ihrem Archipel“

Leicht schwankend setzt die kleine Propellermaschine auf. Sofort pirscht der wartende Kleinbus auf die Landebahn und nimmt die neuen Gäste an Bord. Neun Besucher plus Gepäck. Hochkonjunktur auf Stewart Island im März. Kaum zehn Minuten braucht man bis zum Fischerdorf Oban in der Half Moon Bay, der einzigen urbanen Siedlung der Insel bestehend aus Hotel, Imbissstand, mehreren Pensionen, einem Restaurant, vereinzelten Häusern – und dem Strand und Hafen, in dem die Boote ruhen.

Erfolgreiches Kiwi Spotting

Dort sind wir verabredet. Leicht verspätet und verschwitzt eilt sie gestikulierend herbei, „hatte letzte Nacht noch eine Gruppe aus England“, sagt Furhana, die Wildnisexpertin, hechelnd und spricht vom erfolgreichen Kiwi Spotting. Nirgends sei die Chance größer den Nationalvogel in freier Wildbahn zu sehen als auf Neuseelands „dritter Insel“, besonders nachts. Denn überall sonst werden die flugunfähigen Tiere mit dem langen Schnabel von Ratten, Katzen oder Possum bedroht. „Nicht auf Stewart Island“, sagt Furhana energisch, zu unberührt sei die Region und so ursprünglich wie vor Jahrtausenden.

Gut gelaunt ist sie und voller Tatendrang. Sie hat ihren Traumjob gefunden, dafür nimmt sie einiges in kauf. Sie führt Vogel- und Naturbegeisterte über verschiedene Tracks durch diese Wildnis, die zu 87 Prozent den Schutz als Nationalpark genießt. Schnell das Gepäck aufs Boot verlagert, mit roten Wangen und voller Temperament reicht sie das Tour-Care Package mit Sandwich und Früchten hinüber, während das Wasser Taxi Ulva Island ansteuert – dem Paradies aus Vögeln und Pflanzen.

Vor sieben Jahren habe es sie erwischt, erzählt die gebürtige Britin indischer Abstammung, auf einer Reise durch Neuseeland. Mehrere Monate sei sie damals unterwegs gewesen und später zurück in London konnte sie an nichts anderes mehr denken. Stewart Island, von den Ureinwohnern der Maori auch Rakiura oder Land der glühenden Himmel genannt – hierhin musste sie zurück kehren, in diese Welt aus 300 Menschen, exotischen Regenwäldern und einer Vogelwelt, wie es sie nirgendwo sonst auf der Welt gibt. „Magisch anziehend“ fand sie diese letzte Landmasse vor der Antarktis – die diplomierte Geografin mit gut dotiertem Job im Zentrum der westlichen Welt.

„Ich bin einfach ins kalte Wasser gesprungen“, berichtet sie Sandwich kauend am Strand von Sydney Cove auf Ulva Island, immer mit dem Blick aufs Meer und einem Ohr im Regenwald. „Am Anfang war ich einfach nur begeistert“, bekennt die quirlige kleine Frau mit den entschlossenen warmen Augen, das habe ihr die Kraft gegeben, hier einzutauchen. Buch für Buch hat sie sich die Charakteristiken über Flora und Fauna angeeignet, immer mit dem Wunsch es so gut zu verstehen, dass sie ihr Wissen an andere weiter geben kann. Heute kennt sie jedes Tier, jede Pflanze mit lateinischem Namen.

„Da vorn“, ruft sie und ermahnt mit dem Zeigefinger zur Ruhe „das ist der Stewart Island Robin, mein Lieblingsvogel“. Kaum hat sie ihn entdeckt beginnt sie ein leises Zwiegespräch, wie zwei alte Bekannte, die sich viel zu sagen haben. Irgendwann schaltet sie um und erzählt weiter über die „Bewohner“ dieses 250 ha großen Paradieses, einer von mehreren kleinen Inseln in der lang gestreckten Paterson-Bucht von Stewart Island. Von überall her tönen die Rufe der Tui und Makomakos, man sieht Kaka, Weka, Kakariki und Kereru. Immer wieder schleicht sie wie ein Jäger ins Farngestrüpp, hält inne und zeigt den nächsten Piepmatz in Reichweite. „Hier gibt es keine natürlichen Feinde“, erklärt Furhana diesen bunten Tummelplatz unterschiedlichster Vogelarten. Durch massiven Einsatz von Fallen und Gift sei das Eiland jetzt frei von Raubtieren wie Ratte und Possum. Sie hätten sonst die Pflanzen als Lebensgrundlage der Vögel zu Tode genagt.

„Der Regenwald ist ein endloses Kapitel“

Zielstrebig schreitet sie voran über knorrige Wurzeln, üppige Farne und bemooste Stämme durch den „forest on top of the forest“, so nennt sie jenes Dickicht aus undurchdringlichem Urwald mit hochgewachsenen jahrhundertealten Bäumen umzingelt von einer wuchernden Pflanzenlandschaft. Immer wieder hält sie inne, lauscht, verweist, ist verwundert und verzückt – man könnte meinen, sie ist hier zum ersten Mal, so euphorisch ist sie. Aber sie macht die Tour im Sommer fast täglich, doch von Routine keine Spur. Im Winter geht sie selbst auf Entdeckungstour. „Der Regenwald ist ein endloses Kapitel“, sagt sie und man glaubt es ihr sofort. Ihre Begeisterung steckt an, ist mitreißend und nach vier Stunden Trekking hat man sich an die Klangwelten des Regenwaldes gewöhnt.

Aus der Ferne gesellt sich bald ein gleichmäßiges Rauschen dazu – das Meer kündigt sich an und irgendwann tut sich einer dieser Strände auf mit jenem feinen weißen Sand und einem wie gemalten meeresblau – natürlich ganz ohne Menschen. Man möchte hinein springen in diesen Ozean, doch ein Blitztest per Hand macht schnell klar: hier kündigen sich bereits polare Vorboten an – Stewart Island bildet die letzte Landmasse vor der Antarktis. Den Blick gen Horizont gerichtet, den Wanderstock in der rechten, bläst Furhana ein eiskalter Wind ins Gesicht. Sie genießt diesen Augenblick und taut mehr und mehr auf. Einfach sei es nicht als Frau hier auf der Insel, bekennt sie, auch wenn sie eigentlich multikulturelles Leben aus London gewohnt sei. „Hier zählt das alles nichts“, sagt sie. „Ein eigener Mikrokosmos mit eigenen Regeln“, erklärt sie und man spürt ihre Skepsis, ob sie jemals Teil dieses Kosmos werden kann. Isoliert in einer Hütte im Wald lebt sie seit sieben Jahren mit Kiwi-Pass zurückgezogen mit ihren besten Freunden– der Natur und den Vögeln.

Zurück ins alte Leben? Nein auf keinen Fall, sie will sich durchbeißen, weiter machen und anderen Menschen ein Stück dieses Paradieses zeigen, das es noch gibt. Darin sieht sie ihren Auftrag. Theater, Konzerte, Cafés und Kneipen – hat sie alles gehabt, vermissen tut sie es nicht, weil sie jetzt viel mehr hat als „Ablenkung und Zerstreuung“, wie sie es nennt. Inzwischen hat sie auch ein eigenes Boot gekauft, acht Personen passen da hinein, das macht sie unabhängiger. Mike, ein Fischer aus der Half Moon Bay macht mit, er watet das Boot, fährt sie auf die vorgelagerten Inseln des Archipels, unterhält die Besucher und teilt Furhanas Philosophie. „Powerful“ nennt er seine Chefin und weiß zugleich, dass sie es nicht leicht hat auf seiner Insel, die er selbst nie verlassen hat.

Mehr Information
www.newzealand.com

Ruggedy Range Wilderness Experience
170 Horseshoe Bay Road, P O Box 188, Stewart Island, New Zealand
Tel.: +64 3 219 1066
Fax + 64 3 219 1078
mail@ruggedyrange.com
www.ruggedyrange.com

Anreise
Flug mit Air New Zealand ab Frankfurt über London und Los Angeles nach Auckland pro Person hin und zurück für 1390,– Euro inkl. Steuern und Gebühren

Neuseeland: Der Vogelflüsterer der Catlins

Kilometerweite menschenleere Strände, tausende weidender Schafen auf sattgrünen Wiesen und dichter Regenwald charakterisieren die Catlins. Ein letztes Naturparadies im Deep South Neuseelands, das zu schützen sich die Sutherlands zu ihrer Lebensaufgabe gemacht haben.

Langsam tastet sich der Kombi über die Schotterpiste durch den dicht gewachsenen Regenwald auf Tawanui zu. Ungeduldig wartet Fergus Sutherland bereits vor dem Cottage, sieht abwechselnd auf die Uhr, dann wieder hoch in die riesigen Baumkronen vor dem Haus. Auf der Suche nach seinen Freunden, den Vögeln. Der hochgewachsene Herr liebt den dichten Regenwald der Catlins, jener wilde und nur spärlich von Farmern bewohnte Landstrich von rund 1900 Quadratkilometern hinter der zerklüfteten Pazifikküste im Südosten der Südinsel. Benannt nach Kapitän Edward Catlin, einem Walfänger im 19. Jahrhundert. Der hatte einst versucht, große Teile des Landes von den Maori, den Ureinwohnern, zu kaufen. Ein Unterfangen, das er aber nicht schaffte.

Fergus Sutherland, der Vogelflüsterer

Fergus Sutherland, der Vogelflüsterer

Eine herzliche Begrüßung, ein paar einleitende Worte, und schon geht es tief hinein in den bis zu 900 Jahre alten Regenwald mit seinen Baumriesen, deren Kronen bis zu 50 Meter hoch in den Himmel ragen. „Der hiesige Regenwald besteht vor allem aus Podocarpaceae“, erklärt Fergus und zeigt die verschiedenen Exemplare dieser Steineibengewächse, jene immergrünen Bäume, die schon allein rund 600 Quadratkilometer der Catlins bedecken. Besonders schützenswert sind aber die unberührten Reste von Rimu- und Totarawald in Richtung der Hügel jenseits des Catlins-River. Deren Lage war für den Holzeinschlag der frühen Siedler zu steil gewesen. Ein Glück für diese Art von Wald, denn so konnte sein Holz nicht für den Kanubau gefällt werden.

Pfeifen nach den Vögeln

Über Hängebrücken, die Flusstäler überqueren, über kaum erkennbare Pfade, die dicke Baumwurzeln kreuzen, geleitet der 65-Jährige die kleine Besuchergruppe zu einer Lichtung, von der man die hügelige Wald- und Wiesenlandschaft überblicken kann. Stille, nichts als Stille, nur der Gesang der Vögel ist hörbar. Nach einer längeren Pause neigt sich Fergus´ Haupt nach oben, er starrt wie gebannt in die Baumkronen am Rande der Lichtung. Konzentriert und wie abwesend ist sein Blick. Fast automatisch formen sich seine Lippen spitz zusammen bis ein flötender Pfeifton entweicht, den er ein ums andere Mal wiederholt.

Es dauert nicht lange, und prompt kommt aus dem Wirrwarr der Baumkronen des Regenwalds eine Antwort zurück. In abgewandelter Tonart setzt der 1,90-Meter-Mann den Dialog mit den Piepmätzen fort. So geht es eine Weile hin und her. Fergus Sutherland versteht seine Vögel, er spricht mit ihnen, weiß ihre Geschichte und sorgt sich um ihren Fortbestand. „Jahrelang habe ich ihnen zugehört“, berichtet er, jetzt könne er ihren Ton treffen. Er will die Mohuas, Kakarikis, Parakeets und Keas vor dem Aussterben bewahren. Allein die Population der Keas, jener klugen Bergpapageien sei seit den 90er-Jahren um mehr als zwei Drittel geschrumpft, erzählt der Vogelflüsterer. Schuld sei in den meisten Fällen das gegen die Possums eingesetzte Gift, das auch die Keas tötet.

Im Einklang mit der Natur

Auch Mary, die Frau von Fergus, hat sich den Catlins mit seinen 1200 Einwohnern, seinen Vögeln und dem Regenwald verschrieben. „Wir sind seit der Kindheit mit dieser Region eng verbunden“, erzählt sie. Schon immer sei es ihr Traum gewesen, „in der Natur und für die Natur zu arbeiten“. Seit 1990 bieten beide zusammen die Ecotours an – „den sanften Tourismus“, wie Mary ihr Projekt nennt. Vier Tage lang erforscht man in kleinen Gruppen unter der leidenschaftlichen Führung von Fergus die Flora und Fauna, Geologie und Geschichte der Catlins. Die Besucher übernachten in vier komfortablen solarbetriebenen Cottages, den Mohua Park Cottages mitten im Urwald. Riroriro, Korimako, Karearea und Kahu heißen die kleinen Luxusbungalows nach einheimischen Vogelarten, von deren Veranda man im Morgenlicht einen verlockenden Blick auf das weitgestreckte Tal des Catlins River genießt. Wie kleine Oasen fügen sich die Gästehütten passend in die Umgebung ein.

„Mit den Einnahmen fördern wir den Erhalt dieses einzigartigen Naturparadieses“, erläutert die quirlige Mary, die am Abend ihre Gäste aus aller Welt ins 40 Kilometer entfernte Papatowai einlädt. „Wo der Regenwald das Meer trifft“, wie Fergus sein Zuhause beschreibt. Als „echtes Highlight“ bezeichnet Mary den Moment, „wenn wir und die Besucher wie eine Familie beieinandersitzen und erzählen.“ Das ist dann die ideale Gelegenheit für die beiden, ein bisschen vom Enthusiasmus für die Natur weiterzugeben. Bei hausgemachten Speisen, den Blick auf den weiten Strand und die kräftige Meeresbrandung gerichtet, werden Fragen diskutiert und Eindrücke vertieft. So steigt schon die Vorfreude auf den kommenden Tag – wenn es zu den Seelöwen der Surat Bay, den Purakaunui- und Matai-Wasserfällen oder nach Slope Point geht, dem südlichsten Punkt der Südinsel mit seinen dramatischen windzerzausten Bäumen.

Mehr Information
Catlins Wildlife Trackers, 5 Mirren Street, Papatowai RD 2, Owaka, South Otago, New Zealand
Tel. und Fax: + 64 3 4158613

info@catlins-ecotours.co.nz
www.catlins-ecotours.co.nz