Rom: Wenn der Papst die Carabinieri empfängt

Ist der Petersplatz überfüllt und die Kathedrale geschlossen, dann schlägt die Stunde der vielen Stadtführer rund um den Vatikan.

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Manchen geht die Szenerie auf dem Petersplatz sehr ans Gemüt

Für Giancarlo hat es sich gelohnt, dass er zweisprachig aufgewachsen ist. Sein akzentfreies Deutsch kommt in jeder Touristengruppe gut an. Doch es ist nicht nur sein gutes Deutsch. Der gebürtige Römer versteht es, trotz Massenansturm in den Vatikanischen Museen, die Besucher mit Leidenschaft, Charme und fundiertem Wissen zu begeistern. Er hält ihre Aufmerksamkeit und Konzentration auf hohen Niveau, bis er sie nach gut 2,5 Stunden endlich in die Sixtinische Kapelle führt.

Eigentlich haben wir für heute einen Besuch der Basilica de San Pietro, dem Petersdom fest eingeplant. Doch schon an der Metrostation Ottaviano wird das Durchkommen schwer. Zäh zieht sich der Besucherstrom gen Vatikan. Alle paar Meter tönt es von den Kontaktanbahnern der Stadtführungsagenturen: „The Church ist closed today“. Um gleich im nächsten Satz ihr eigenes Altenativangebot feilzubieten.

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Langsam lichten sich die Reihen – die Carabinieri gehen mit dem Papst-Segen im Gepäck in ihre Regionen zurück

Wer zum zwölften Mal die Offerten abgewimmelt hat, wird beim 13. Mal weich. Zumal immer klarer wird, dass mehr als ein Bad in der Menge bei Temperaturen um die 30 Grad heute kaum zu erreichen sein wird. Denn heute ist der Tag, an dem der Papst die Carabienieri für ihre Dienste dankt und ihr Tun und Handeln segnet, sagt ein Tourist im Gedränge.

Der nett ausssehende junge Mann mit der zu großen Sonnenbrille trifft uns just an der Ampel, weitergehen ist ohnehin zwecklos. Also hat er die zwei Minuten Zeit, um uns von seinem Angebot zu überzeugen. Und tatsächlich – er schafft es. Die Überlegung ist so simpel wie pragmatisch: Warum bis zu drei Stunden in einer Schlange zum Eingang der Vatikanischen Museen warten um dann mit einem Audiogerät ausgestattet sich durch die Hallen zu quälen und mittelmäßig bis schlecht übersetzten Standarderklärungen zu lauschen. Wenn doch auf der anderen Seite ein kundiger Vortrag lockt, bei dem kein Warten nötig und der Eintritt perfekt organisiert ist. Also sagen wir zu, auch wenn die Führung etwas teurer ist.

Die Stanzerl von Rafael sind auch Teil der intensiven Führung

Die Stanzerl von Rafael sind auch Teil der intensiven Führung

17 Landsleute haben genauso entschieden und lassen sich fortan von den Redekünsten Giancarlos verführen. Besonders schön dabei: Das Gedränge und Geschiebe der Massen gerät zum leichten Spiel. Dank Giancarlo, denn durch die spielerisch leichte Art seiner Erzählungen rund um die Entstehung der Fresken in der Sixitinischen Kapelle, begibt sich der Besucher auf eine Reise durch die Zeitgeschichte. Der Römer versteht es ein kontrastreiches Bild des Meisters Michelangelo zu zeichnen. Er zeigt den Menschen in seinen Widersprüchen in Anbetracht der Erwartungshaltung der Päpste – so wird die Arbeit des eigentlichen Bildhauers Michelangelo immer verständlicher. Mehr noch: Man nimmt ein Stück Religionsgeschichte wahr.

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Auch viele antike Statuen gibt es in den Museen zu bestaunen

So zieht sich die Zeit mit spannenden Anekdoten und Geschichten rund um die Päpste und die Bedeutung der Fresken dahin. Selbst kunstgeschichtlich wenig bewanderte Touristen verstehen viel, sind amüsiert und aufmerksam. Denn es ist nicht allein die Zeitreise, die packend ist, auch die Hinweise auf aktuelle Entwicklungen greift der Besucher liebend gerne auf. So der Hinweis auf den Papst im Ruhestand, Papst Bendedikt, dessen Altersitz von den Museen aus zu beobachten ist. Regelmäßig könne man ihn dort im Garten bei seinen Spaziergängen beobachten, weiß Giancarlo und zeigt auf die frisch restaurierte ehemalige Sommerresidenz hinter der Piniengruppe gelegen.

Und natürlich muss noch ein Wort zu all den Statuen und Büsten fallen. Sie wieder zusammenzustellen mache wenig Sinn, zu viele Einzelteile, die zusammengebracht werden müssten. Versucht man es werde es in der Regel falsch, wie Giancarlo an einer Statue demonstriert. Also sei es besser nur das ganze Stück auszustellen ohne Unterarme oder Gelenkstücke hinzuzufügen, die nicht passen, resümiert der Römer.

Am Ende der Zeitreise ist man wieder einer von 20.000 bis 35.000 Besuchern, die sich täglich durch die Ausstellung arbeiten. Schließlich währt der Moment daher nur kurz: der ersehnte Blick auf die Fresken Michelangelos – dem eigentlichen Ziel der Führung. Die nächsten Gruppen drängen bereits in den Saal. Aber das ist egal, denn wir haben viel verstanden darüber, wie der Meister die Schöpfungsgeschichte interpretiert hat. Und das ist doch eigentlich viel mehr Wert.

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Bei so vielen Besuchern wundert es nicht, dass so manches Exponat beschädigt wird

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