Helsinki: Zwischen Teppichwäsche und Edeldesign

Eine wohltuende Balance aus Tradition und Moderne – garniert mit einer Portion Selbstironie – prägt die finnische Hauptstadt. Sie trägt auch den Titel World Capital of Design – zu Recht, wie ein Besuch der Metropole verdeutlicht.

Inbrünstig schmettert der Straßensänger die Strophen einer deutschsprachigen Oper in den abendlichen Himmel. Darauf folgt ein Stück in russischer Sprache.

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Straßenmusikant singt seine Oper

Als beschwöre er die Geschichte, richtet der stadtbekannte Musikant seine Melodien in Richtung Zar Alexander II, der auf einem Sockel inmitten des Senatsplatzes gebieterisch posiert.

Dahinter ragt das neoklassizistische Bauwerk des Domes empor – ein Werk des deutschen-finnischen Architekten Carl-Ludwig Engel, einem Mitstudenten des berühmten Berliner Architekten Karl Friedrich Schinkel. Russen wie Deutsche prägen die Architektur der finnischen Hauptstadt, doch am längsten war der Einfluss der Schweden. Ganze 700 Jahre dauerte ihre Herrschaft. Noch heute sind alle Straßennamen der Hauptstadt zweisprachig aufgeführt.

„Wir wollen die trendigste und modernste Stadt Nordeuropas sein“, beschreibt Kari Halonen, Marketing Direktor vom Helsinki Tourismus Büro, das wichtigste Ansinnen seiner Landsleute, insbesondere der Hauptstädter. Immerhin hat es Helsinki schon zur Auszeichnung „Welthauptstadt für Design“ gebracht. Kein Wunder, denn als Stadt an der Nahtstelle zwischen Ost und West lebt sie mit ihren kontrastierenden Einflüssen und profitiert davon.

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Die alte Engelsgasse mit Blick auf den Dom

So wie es die Einwohner mit ihren vielen ausländischen Besuchern tun – allein 250 Kreuzfahrtschiffe bringen pro Saison mehr als 300.000 Touristen ins Land. „Auch wenn du kein Englisch kannst, nehmen sie dich bei der Hand und zeigen dir den Weg“, erzählt Kari Halonen schmunzelnd über die heimische Mentalität. Er ist heute eigens aus seinem Urlaubshaus am See angereist. Etwas Farbe klebt noch an seinen Händen. „Das Haus braucht einen neuen Anstrich“, sagt er unkompliziert und seine Augen leuchten die deutschen Gäste an, das es nur so ansteckt.

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Samstags ist Teppichwaschtermin

 

Etwas ähnliches wie Anstrich hatten auch die beiden Frauen im Sinn, als sie die Uferstelle auf der kleinen Halbinsel Tervasari aufsuchten. Jetzt, nach verrichteter Arbeit, sitzen sie entspannt auf der Holzbank mit Blick auf die Silhouette der Uspenski-Kathedrale im russisch-byzantinischen Stil. Wie jeden Samstag im Sommer kommen sie her, um ihre gewobenen Flickenteppiche im Meerwasser zu reinigen. „Manchmal nehmen sie auch ihre Männer mit“, ergänzt Kari Halonen. „Aber nur, wenn die Teppiche zu schwer sind“, entgegnen die Frauen kichernd. Sehr praktisch gedacht und geradezu eine nationale Tugend: Denn nicht nur im täglichen Leben auch im Design bevorzugen Finnen die funktionale Lösung: „Design muss bei uns immer auch praktisch sein“, betont Kari Halonen, „reiner Luxus reicht nicht.“

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Eingang in die Schuhwelt von Minna Parikka

 

Dies offenbart ein Blick auf das Werk finnischer Designer, die sich im Viertel zwischen Esplanade und Observatoriumsberg niedergelassen haben, einer Art Design-Distrikt. Ausgangspunkt ist das Design Forum in der Erottajankatu 7. Wechselnde Ausstellungen zu aktuellen und historischen Designs vermitteln ein Bild der finnischen Design-Vielfalt. Formschön, qualitativ hochwertig und in jedem Fall funktional: Accessoires, die den Alltag veredeln.

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Ein neu designtes Kleid ist fertig geworden

 

In den umliegenden Straßen und Plätzen des Viertels zeigen Boutiquen und Läden ihr reichhaltiges Angebot. Zum Beispiel im stilvoll gestalteten kleinen Shop von Minna Parikka in der Bulevardi 24. Mit ihren glamourösen Schuhen und praktischen Handtaschen hat die junge Designerin bereits internationale Preise gewonnen. „Ihre Schuhe erscheinen sogar auf nationalen Briefmarken“, weiß Kari Halonen. Oder in der Boutique „Coture Noir“, wo die junge Tiia Vanhatapio mit dem Kleopatra-Gesicht ihre viel beachteten Kleider zur Schau stellt.

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Tiia Vanhatapio ist Modedesignerin

 

Doch nicht nur die Welt der schönen Form und Gestalt, auch im kulinarischen Sinn hat das aufstrebende Stadt-Viertel verlockendes zu bieten – ein Besuch im Restaurant „Juuri“, bringt dem Besucher die finnische traditionelle Küche nah. Auch hier regiert der innovative Geist: Kredenzt werden die Speisen als so genannte „sapas“, kleine Appetizer, die nach dem „grünen Gold“, den heimischen Wäldern schmecken – Kräuter, Beeren, Pilze, Wild verwöhnen den Gaumen.

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Kasse im Schuhladen von Minna Parikka

 

Besitzer Jarkko Myllymäki ist stolz auf seine Kreationen und ziert sein Lokal mit Kreationen benachbarter Künstler. Sein verschmitztes Grinsen verrät scharfen Humor und wohltuende Leichtigkeit – sicher auch einer der Gründe, warum das kleine 48-Sitze-Lokal bei Touristen und Einheimischen Kultstatus genießt.

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Besitzer Jarkko Myllymäki vor seinem Juuri

 

Nach dem Verzehr köstlicher Flusskrebse wartet schon das Taxi zu einer Tour durch Helsinkis Nachtleben. „Wie praktisch“, meint ein Fahrgast beim Einstieg. Denn in einem Karaoke-Taxi kann man in Helsinki die Fahrzeit singend überbrücken.

Mehr Information
Helsinki City Tourist & Convention Bureau
Pohjoisesplanadi 19
Telephone +358 (0)9 3101 3300
fax (+358 (0)9 310 13301
e-mail:tourist.info(at)hel.fi
www.visithelsinki.fi

Adressen
Design Forum Finland: www.designforum.fi
Minna Parikka: www.minnaparikka.com
Tiia Vanhatapio Coture Noir: www.vanhatapio.fi
Restaurant Juuri:
Korkeavuorenkatu 27
00130 Helsinki
Tel. +358 9 635
www.juuri.fi

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