Granada: Wo die Häuser Carmen heißen

Es muss nicht immer ein Palastbesuch sein, um eine Stadt näher kennen zu lernen. Manchmal reicht auch eine kleine Werkstatt oder ein Stadtviertel aus.

Der Geruch nach Holzspänen und Leim liegt in der Luft. Im Regal an der Wand stehen fein säuberlich die Gitarren in Reih und Glied. Ein unfertiger Corpus liegt auf dem Arbeitstisch. Im Blaumann und mit Lesebrille auf der Nase bearbeitet José López Bellido die runde Öffnung des Corpus mit einer Spezial-Feile.

José López Bellido  in seiner Gitarrenwerkstatt unterhalb der Alhambra

José López Bellido in seiner Gitarrenwerkstatt unterhalb der Alhambra

Das macht er nun seit 50 Jahren so in der kleinen Gitarrenwerkstatt in der Calle Gomérez unterhalb der berühmten Alhambra, der Palaststadt auf dem Hügel Sabika. „Ich liebe den Gitarrenbau und kann nicht damit aufhören“, bekennt der knapp 70-Jährige Granadiño. Früher hat er acht Gitarren pro Jahr gebaut, heute sind es noch zwei oder drei. Meist auf Bestellung, seine treuesten Kunden sitzen in Deutschland. Am liebsten baut er für klassische Konzertgitarristen. Die sind „seriöser und zuverlässiger“ als die Flamenco-Künstler meint José. Und besser ins Gespräch komme man auch.

Durch das Albayzin weht ein Hauch Kreuzberg

Apropos Flamenco: Den erwartet man in dieser Stadt ohnehin an jeder Ecke, in jeder Bar, in jedem Konzertsaal. „Besonders zum Festival für Musik und Tanz Ende Juni/Anfang Juli“,  sagt Maria de los  Reyes, die Stadtführerin. Wein fließt dann in Strömen und die Tanzschuhe klackern pausenlos übers Parkett. Und was für den Gitarristen seine Gitarre, für die er bei José gut 5.000 Euro ausgibt, ist den Tänzerinnen ihr Kleid. „Jedes Jahr ein neues – das ist Pflicht“, bestätigt Estela, die eigentlich aus Sevilla stammt. „Flamencokleider sind ein Teil meines Lebens“, gesteht die Andalusierin. Auf deutlich über 20 schätzt sie die Anzahl der bunten Kleider in ihrem Schrank. Einige seien noch von ihrer Mutter, die sie ihr einst als Kind nähte.

Auch ohne Flamenco sprüht die Stadt mit ihren 60.000 Studenten nur so vor Kultur. Ob Film- oder Jazzfestival, Theatertage oder die vielen Gesichter des Viertels Albayzín, dem lebendigen Erbe von Al-Andalus, jener Zeit von 711 bis 1492 als Granada und die Region Andalusien unter arabischer Herrschaft standen. „Ein bisschen wie in Berlin-Kreuzberg“, sagt Maria, die ein paar Jahre in den 1980ern in Berlin gelebt hat. Und sie hat recht. Auf dem Basar reihen sich Tee-, Teppich- und Stoffläden eng aneinander, Handel und Geschäfte florieren, Wasserpfeifen machen die Runde.

Häuser blicken hin zur Alhambra

Auch wenn man  von der Plaza Luque durch die schmalen Gassen schreitet, teils umgeben von der alten Stadtmauer und den Stadttoren wie die Puertas de Monayta  und de Elvira aus dem 9. Jahrhundert, spürt man den Flair der einst islamischen Stadt mit jedem Schritt. An jeder Abbiegung des labyrinthartigen Gassen-Wirrwarrs sind sie zu sehen: Die Carmenes, die Vorzeigehäuser des Viertels. Meist sind es kleinere Bauten, die von üppigen Schatten spendenden Wein- und Blumenränken umgeben sind. „Carmen de la Encarnación“ oder „Carmen de la Alcazaba“ prangt in geschwungenen blauen Buchstaben auf Keramiktafeln vor den Hauseingängen. Ihre Front blickt stets auf die andere Seite des Flusses Rio Genil hin, dort, wo die allgegenwärtige Alhambra thront. Diese Ausrichtung sei eine „typische Eigenart dieser Wohnform“, sagt Maria.

Dort die Alhambra und im Albayzin auf der Plaza del Abad steht die ehemalige Hauptmoschee, auf der nach der Rückeroberung durch die Christen die Kirche Salvador errichtet wurde. Geblieben ist der Moscheehof für rituelle Waschungen, die Originalsäulen der Moschee und eine tiefe Zisterne. Unweit davon liegt der kleine Plaza del Aliatar – ein Idyll, das man sofort mit seiner Kamera festhalten möchte. Hier ein Café, dort ein Tante Emma Laden und an der Ecke La Floristeria mit einer bunten Pracht aller erdenklichen Blumen und Pflanzen. Kleine Balkone lugen auf die Plaza hinaus, ältere Herren mit Stock sitzen auf Bänken und halten ein Schwätzchen, Kinder jagen einem abgewetzten Ball hinterher. „Es ist die besondere Mischung, die das Albayzin ausmacht“, sagt Maria. „Alteingesessene Familien, Künstler, Immigranten und Bohemians.“ Manchmal kommen sie am Abend alle zusammen auf dem Mirador de San Nicolás, jenem Ausblickspunkt an der gleichnamigen Kirche. „Wenn die Sonne hinter der Silhouette von Alhambra und Sierra Nevada versinkt, hat man von hier den besten Platz“, schwärmt Maria.

Wenn dann der Duft von Orangenblüten die Luft erfüllt geht man weiter auf die Plaza Charca, wo aus der Bar feurige Gitarrenklänge herüber wehen. Ein Gitarrist spielt voller Leidenschaft auf seinem Instrument. Vielleicht ist es eine Gitarre aus Zypressenholz, die José in seiner kleinen Werkstatt in wochenlanger Feinarbeit erschuf. Dem Konstrukteur würde es gefallen.

Mehr Information
Spanisches Fremdenverkehrsamt Berlin
Telefon: 0 30 – 8 82 65 43
www.e-spain.info
www.turgranada.es

Übernachtung
Hotel Alhambra Palace: Pena Partide 2 4, Granada, 18009 Spanien
www.h-alhambrapalace.es

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