Navarra: Der kleine Kontinent

Von riesigen Eichenwäldern im Norden über weite Wüsten im Süden bis hin zu pittoresken mittelalterlichen Dörfern – die nordspanische Region Navarra hat mehr zu bieten als die weltbekannte Fiesta de San Fermin in Pamplona – selbst die begegnet dem Besucher auf Schritt und Tritt.

Ernest Hemingway kam 1923 erstmals nach Pamplona, danach zog es ihn jedes Jahr in die Hauptstadt Navarras, immer zur Fiesta de San Fermin, Anfang Juli. Er quartierte sich im Hotel La Perla ein, Zimmer 217, direkt an der Plaza del Castillo gelegen, dem Hauptplatz mit seinen eigenwilligen Häusern und vis á vis der Bar Iruña, wo der Geist Hemingways noch heute spürbar ist.

Statue_Hemingway

Bronzestatue von Ernest Hemingway in der Bar Iruña


„Hemingway hat sich hier verewigt“, sagt Maite Baines, die Stadtführerin und schreitet an der langen Bar entlang, hält mit José, dem zur Institution gewordenen altgedienten Barmann ein lebendiges Schwätzchen, um dann den mondänen saalähnlichen Raum mit seinen Säulen zu durchqueren. Am Ende rechts durch die Tür, da steht er – der Schriftsteller als Bronzestatue am Tresen in seinem „Rincon de Hemingway“, seiner kleinen Ecke.

Doch Navarra ist mehr als die Spuren Hemingways und die Stierhatz im Juli. „El pequeño continente“, – der kleine Kontinent, nennen die Navarros ihr 650.000 Einwohner zählendes Königreich an der Grenze zum Baskenland und sie liegen damit goldrichtig. Königreich? Von 905 bis 1589 immerhin ein unabhängiger Staat im westlichen Pyrenäenraum, der anschließend von Kastilien annektiert wurde, seit 1982 führt die Provinz den Titel Autonome Region Navarra.

Auf der Straße von Pamplona nach Osten hin immer das gleiche Bild – gelb-braune abgeerntete Getreidefelder bestimmen die leicht hügelige Landschaft. „Navarra ist reich an Getreide“, sagt Maite Baines und verweist auf die hohe landwirtschaftliche Produktivität in der comunidad autónoma. Zugleich nur schwach industrialisiert und mit einer geringen Bevölkerungsdichte präsentiert sich die Region mustergültig. Sehr gutes Straßennetz, exzellentes Gesundheitssystem, gute Bildungsmöglichkeiten und seit einiger Zeit federführend im Bereich der Erneuerbaren Energien. „Wir sind der größte Exporteur von Windanlagen in Spanien“, bestätigt die Reiseleiterin. Und der Blick gen Horizont gibt ihr Recht: Auf den Bergkuppen reiht sich Windrad an Windrad, kein Meter wurde verschenkt. Auch Biomasse und Photovoltaikanlagen kommen verstärkt in Navarra zum Einsatz.

Turismo rural – Qualität statt Masse

Durch das Valle de Salazar schlängelt sich ein sechs Kilometer langer Canyon, weiter geht es Richtung Norden zur Selva de Irati, dem zweitgrößten Eichenwald Europas nahe der Grenze zu Frankreich. Grüne Wiesen und Wälder bestimmen die Berglandschaft, rustikale Bauernhäuser mit Holzerkern und -balkonen prägen die Dörfer – ein Hauch von Schwarzwald weht durch die Region. Angel Loperena ist in dem Dorf Garralda aufgewachsen, keine zehn Meter von seinem Hotel entfernt. Ein komplett restauriertes Haus aus dem 19. Jahrhundert mit sieben Zimmern – turismo rural, der auf Qualität statt auf Masse setzt. „Ich will bei meinen Gästen Gespür und Leidenschaft für die Natur wecken“, erklärt der sympathische Mittvierziger seine Philosophie.

Die Gäste wissen das Konzept zu schätzen. Noch sind es in erster Linie Landsleute: „Professoren und Lehrer lieben die Abgeschiedenheit und loggen sich gleichzeitig wireless ins Internet ein“, erzählt der Hotelier schmunzelnd. Während seine Frau typische Speisen aus der Region kredenzt und damit dem Besucher die Reichhaltigkeit der navarrischen Küche vorführt, widmet sich ihr Mann ausgedehnten Touren durch die Pyrenäenlandschaft. Dabei erweist sich Loperena als ausgezeichneter Kenner, der mit viel Detailwissen seine Begleiter überzeugt. Ob mit dem Mountainbike, zu Fuß oder per Segway, einer speziellen Fortbewegungsart, die besonders in den Bergen zum Einsatz kommt, entdeckt der Besucher eine Landschaft, die besonders durch ihre unberührte Schlichtheit beeindruckt.

Die Wüste Bardenas Reales

Die Wüste Bardenas Reales

Auf dem Weg nach Roncesvalles, dem Tor zum letzten Teil des Camino de Santiago, des Jakobswegs in Spanien (700 km), sind mehr Pilger als Autos unterwegs – abgekämpft, hungrig und erleichtert zugleich, die heftige Pyrenäenetappe von St.Jean-Pied-de-Port hinter sich gebracht zu haben. Wie vor Jahren der Entertainer Hape Kerkeling – er hat der Strecke in seinem Buch ein Denkmal gesetzt. Nach der Ankunft in der Herberge, einem ehemaligen Krankenhaus, sammeln die peregrinos ihre letzten Kräfte, um das Augustinerkloster aus dem Jahr 1132 mit seinem schönen Kreuzgang sowie der eindrucksvollen Stiftskirche Santa Maria zu besichtigen – Sinnbild des Ortes und Beispiel des gotischen Navarra zugleich. Eine Visite in der Kapelle des Santiago mit seiner historisch überlieferten Symbolkraft ist natürlich für jeden Jakobswegwanderer Pflicht. Doch mehr ist nicht drin, denn schon am nächsten Morgen wartet die nächste Etappe nach Larrasoaña.

Zurück ins Mittelalter

Ein Ausflug in den Süden des Königreichs führt ins Mittelalter und offenbart alle Vorzüge einer exzellenten Weinregion. Etwa 40 Kilometer südlich von Pamplona liegt Olite, ein verschlafenes mittelalterliches Juwel mit einer thronenden Burg, die den Blick gen Horizont freigibt. Anfang des 15. Jahrhunderts erbaut, sei der Königspalast maßgeblich von König Karl III, dem Edlen, gefördert worden, berichtet Maite Baines. Er gelte als eines der architektonisch wichtigsten Bauwerke in Navarra. Bei einem  Rundgang durch den riesigen Palast, mit seinen Gemächern, Gärten und Brunnen, stets umschlossen von hohen Mauern und Türmen, wird die Grandesse und Schönheit spürbar. „Heute findet in diesem historischen Gemäuern alljährlich das Festival de Teatro Clásico statt“, erzählt Maite Baines – ein Theaterfestival, das unter sternenklarem Himmel Stücke von Lope de Vega, José Zorilla, Molière oder Shakespeare aufführt.

Passend zum kulturellen Ambiente in Olite ist das Hotel La Joyosa Guarda, gelegen in der historischen Altstadt. Ein palastartiges Gebäude aus dem Ende des 18. Jahrhunderts, das Pilar und ihr Mann liebevoll restauriert haben. Mit Liebe zum Detail haben die Besitzer ein Stück Vergangenheit wieder zum Leben erweckt. „Wir wollten mit ausgewählten dekorativen Elementen und Teilen des alten Gemäuers die reiche Geschichte der Region für den Gast erlebbar machen“, beschreibt die 52-jährige Pilar ihr Konzept. Am Abend sitzt der Gast im lauschigen Innenhof umrahmt von einem Meer von Lichtern und Kerzen, inmitten der alten Gemäuer und vergnügt sich an der vorzüglichen Küche des Hauses. Pilar hält dabei stets persönlichen Kontakt zu ihren Gästen und setzt sich gern auch mal auf ein Glas Patxaran, Likörschnaps, dazu. Gelegenheit noch mehr zu erfahren über Sitten und Gebräuche der Navarros. Zum Beispiel über die Fiesta. „In Navarro gibt es keine Fiesta ohne Stiere“, sagt Pilar kurz und bündig. Alle im Sommer stattfindenden Feste seien eine Kopie von San Fermin in Pamplona, „das ist hier so Tradition“. Im Juli und August feiere jede Gemeinde ihre Fiesta, erzählt Pilar, immer zu Ehren des jeweiligen Schutzheiligen. „Gefeiert wird eine ganze Woche lang.“

Fiesta in Tudela

Fiesta in Tudela

Wer in Olite verweilt, hat es nicht weit zu den übrigen mittelalterlichen Schätzen der Region. Vorbei an endlosen Weinhügeln und –feldern, die unter anderem den erstklassigen Rotwein hervorbringen, gelangt man etwa in das auf einer Hügelspitze gelegene Städtchen Ujué, das mit seinen verwinkelten Gassen und seiner Burg zum Zeitsprung wird. Nicht minder fesselnd ist das Castillo de Javier sowie das Monasterio de Leyre, beide an der Grenze zu Aragon gelegen.

In der Wüste Bardenas Reales

In der Wüste Bardenas Reales

„Die Navarros wissen gar nicht, über welche Schätze sie verfügen“, kommentiert Maite Baines und seufzt vielsagend. Vielleicht einer der Gründe weshalb Navarra bisher vom Tourismus weitgehend verschont blieb. Doch ganz im Süden bei Tudela an der Grenze zu Aragon tut sich etwas: Enrique von der Compañía de Guías de las Bardena unternimmt gezielte Ausflüge in das von der UNESCO als Biosphärenreservat geschützte Wüstengebiet, das sich von Nord nach Süd auf 45 Kilometern und in der Ost-West-Achse auf gut 24 Kilometer erstreckt – und seine Compañía hat Erfolg damit. „Wir verkaufen Sonnenuntergänge“ , sagt Enrique flapsig. Nicht irgendwelche sondern Sonnenuntergänge in einer Wüste mit spektakulärer Kulisse. In kleinen Gruppen fahren er und seine drei Kollegen hinaus mit dem Mountain-Bike, dem Geländewagen oder als reine Wandergruppe und erklären die Entstehung der bizarren Cañon-Region mit seinen weiten Hochebenen und Plateaus, seinen geologischen Formationen sowie den unzähligen Schluchten und Wasserbecken. Sobald es dämmert gelangt die Gruppe an einen markanten Ort, von dem aus das unvergessliche Schauspiel bewundert wird. „Eine Explosion von Farben, die die Landschaft verwandeln“, schwärmt Enrique. Spätestens wer das erlebt hat, wird Navarra wieder besuchen – wie einst Hemingway.

Tourismusbüro der Regionalregierung von Navarra
Tel: +34 848 420 420
Oit.pamplona@navarra.es
www.turismo.navarra.es

Übernachtung
Hotel Auñak, 31693 Garralda, Navarra
reservas @auniak.com 
www.auniak.com

La Joyosa Guarda, Rúa de medios 23, 31390 Olite, Navarra
hotel@ lajoyosaguarda.com 
www.lajoyosaguarda.com

Gran Hotel La Perla, Plaza del Castillo, 1, 31001 Pamplona, Navarra
informacion@granhotellaperla.com 
www.granhotellaperla.com

Wüstenexkursion 
info@turismobardenas.com 
www.turismobardenas.com

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